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    Peinliches Schweigen
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Kann Stille bedrückend sein? Kann Schweigen peinlich sein? Diese Fragen habe ich mir unlängst gestellt, als ich meine Ferien im Unterengadin und in Südtirol verbrachte.

Obwohl die Kommunikation mein Beruf ist, mag ich Stille. Deshalb fahre ich im Sommer gerne zum Wandern in die Berge. Berge strahlen für mich eine Erhabenheit aus, sie laden ein zum Innehalten. Das empfinden offensichtlich nicht alle Menschen so, wie ich in der Praxis erleben konnte. Zum einen gibt es wohl persönliche Präferenzen, wieviel Stille man mag. Zum anderen gibt es kulturelle Unterschiede, die sich besonders in Südtirol erkunden lassen, das zwar zu Italien gehört, aber in weiten Teilen eher tirolerisch anmutet, zum Beispiel im deutschsprachigen Vinschgau und im Meraner Land. Die dort überwiegend deutschsprachigen Touristen schaffen es meist problemlos, eine Bergbahnfahrt lang mal einigermassen ruhig zu sein. Es bietet sich ja auch an, denn schliesslich ist man mit bis zu 30 Menschen in einer Gondel. Und alle hören alles mit. Als dann doch mal ein Handy in einer Gondel klingelte, nahm eine italienisch sprechende Dame ab und erklärte etwas verlegen, dass sie in der Seilbahn seien und es jetzt gerade nicht so günstig sei. Offensichtlich war es die Nachbarin oder die Putzfrau, die irgendwas in der Wohnung suchte und nicht fand.

Ganz anders geht es im italienisch dominierten Val Gardena respektive Grödnertal zu und her. Auf der kurzen Fahrt von der Talstation in Wolkenstein nach oben teilten mein Mann und ich eine Gondel mit einem italienischen Paar. Während die Frau relativ teilnahmslos dasass, fingerte der Mann permanent auf seinem Smartphone herum und rief zwei Personen an. Die Gespräche bestanden aus reinen Banalitäten, wie dem Hinweis darauf, dass sie gerade mit der Seilbahn auf den Ciampinoi führen und eine tolle Zeit hätten und Grüsse an Anna undsoweiter. Oben angekommen musste ich kurz überlegen, ob ich wohl auf einem Gipfel in den Dolomiten bin oder auf Mallorca. Laute Popmusik schallte aus den Boxen, Familien mit Kind und Kegel, Hund und Oma plapperten permanent und schrien herum.

Was aber tun, wenn man in eine solche Situation geraten ist? Hilft ja nix, aushalten und in Zukunft solche Plätze meiden. Man kann die Menschen ja nicht ändern. Offensichtlich ist es für viele Menschen zudem schwierig, ruhig zu sein und einfach mal nichts zu tun. So habe ich von einem Experiment von US-Forschern gelesen, die Testpersonen 6 bzw. 15 Minuten lang allein in einem Raum auf einem Stuhl sitzen liessen. Das fanden die meisten unangenehm. Sogar so unangenehm, dass ein Viertel der Frauen und zwei Drittel der Männer in einem weiteren Experiment die Option nutzten, das quälende Nichtstun durch einen elektrischen Schock zu unterbrechen. Da läuft dann halt wenigstens was, auch wenn es nur Strom ist. Natürlich könnte man sich solche Impulse auch auf einfachere Art und zudem nutzbringend selbst zuführen: indem man Momente der Musse und des Nichtstuns zum Denken und Träumen nutzt.

Mein Tipp: Wenn Sie Stille mögen, verbringen Sie die Ferien in Scuol im Unterengadin. Dort kann man stundenlang wandern, ohne jemandem zu begegnen. Warum? Ganz einfach: Es gibt kaum Bergbahnen. Und selber laufen ist vielen dann doch zu anstrengend.

Schöne Sommertage wünscht

Ihre Gunhild Hinkelmann




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