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    Mensch, ärgere dich nicht!
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Wieviel Zeit verschwendet man eigentlich darauf, sich zu ärgern? Und gibt es Menschen, die Ärger regelrecht brauchen? Und wenn ja, wozu? Diese Fragen gingen mir unlängst durch den Kopf.

Auslöser meiner Überlegungen war ein Schreiben mit folgendem Text:

Durchfahrt Quartierstrasse Anglikon am Sonntag 13.00 Uhr in Anglikon AG

Sehr geehrte Frau Hinkelmann
Wir möchten Sie bitten, in Zukunft die normale Verkehrsstrasse zu benützen, und nicht die Abkürzung durch ein Quartier zu nehmen. Auch wir Anwohner haben ein Recht auf Sonntagsruhe.
Ich hoffe, dass Sie in Zukunft vermehrt Rücksicht auf den Verkehr im Quartier nehmen werden.
<< << << << << << << << << << << << = Mit freundlichen Grüssen
Ein sehr verärgerter Anwohner

Ich habe absolutes Verständnis für das Bedürfnis nach Sonntagsruhe dieses Menschen. Bloss: Was hat das mit mir zu tun? Ich kenne Anglikon nicht, geschweige denn irgendwelche Abkürzungsrouten in irgendwelchen Quartieren. Und sonntags fröne ich meinem Hobby Laufen, statt mit dem Auto durch fremde Wohnquartiere zu fahren. Nach einigem Rätseln stellte sich heraus, dass mein Sohn - vor ein paar Monaten - mal einen Trainingsanlass seiner Kung-Fu-Schule in Anglikon hatte und mit meinem Auto dorthin gefahren war. Offensichtlich lag der Trainingsraum irgendwo in dem betreffenden Quartier. Strassen dienen ja nun mal dazu, dass man sie befährt, um an ein bestimmtes Ziel zu gelangen, egal, ob Quartierstrasse oder Durchgangsstrasse.

Wie dem auch sei. Ich habe mir vorgestellt, was das für Mensch sein muss, der solche Briefe schreibt. In der Wir-Form, aber anonym. Dazu muss er sich an Sonntagen ja regelrecht auf die Lauer legen. Vielleicht mit Fernglas? Wie kann er sich sonst so schnell die Kennzeichen der vorbeifahrenden Autos merken? Fotos machen? Dann die Halter der Kennzeichen ermitteln. Ich wusste gar nicht, dass das im Internet so einfach geht. Datenschutz? Und dann muss sich der Mann mal an einem regnerischen Sonntag hingesetzt und Briefe geschrieben haben. Da das "Ereignis" in unserem Fall schon mehrere Monate zurücklag, wartet er wahrscheinlich, bis er einen stattlichen Stapel hat. Vielleicht wäre der Mann gerne Polizist geworden und konnte sich diesen Berufswunsch nie erfüllen. Wie auch immer: In welchem Verhältnis steht der Riesenaufwand, den er betreibt, zu den 30 Sekunden "Geräuschbelästigung", die die Durchfahrt eines Autos verursacht? Wie reagiert er, wenn Kinder auf der Strasse spielen? Und ist Totenstille wirklich angenehmer?

Egal. Mir hat das Beispiel gezeigt, wieviel Zeit man im Alltag mit Ärger verschwendet. Und ihn regelrecht suchen kann. Ich für meinen Teil habe beschlossen, mich im hoffentlich wonnigen Mai nicht über Kleinigkeiten zu ärgern, sondern mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nicht nur auf das Schöne. Es gibt genug wichtige Dinge, über die man sich wirklich ärgern sollte, weil sie unsere Umwelt und unsere Gesellschaft betreffen. Die Klimaveränderung. Den Plastikmüll. Dass Millionen von männlichen Küken geschreddert werden, nur damit wir billige Eier essen können. Dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen. Dass ich mir neue Klamotten gekauft habe, obwohl mein Kleiderschrank voll ist. Und dass Herr Erdogan versucht, die Meinungsfreiheit auch bei uns einzuschränken.

Und ansonsten halte ich mich an den schönen Spruch: Der, der dich ärgert, beherrscht dich.


Viel Erfolg beim Nicht-Ärgern wünscht
Ihre Gunhild Hinkelmann




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