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Ein bekannter Hersteller von ökologisch eher umstrittenen Kaffeekapseln teilt mir in einem Brief mit, dass er speziell für mich ausgewählt eine neue limitierte Edition habe. Wie aufmerksam! Das wäre doch nicht nötig gewesen.

Es ist wohl jedem denkenden Menschen klar, dass Abertausende von Kundinnen und Kunden den Brief mit den "speziell für Sie ausgewählten Kapseln" bekommen haben. Ich bin umzingelt von Dienstleistern, die "für mich" speziell etwas im Angebot haben. Doch jedes Mal, wenn ich an solchen Schildern vorbeigehe wie "Heute für Sie geöffnet" oder "Für Sie im Angebot: feines Rehschnitzel" sage ich mir innerlich: "Nein, nicht für mich!" Und Tiere esse ich sowieso nicht.

Neuerdings heisst es einfach immer "Für Sie". Die Absicht, die dahintersteckt, ist nur allzu leicht zu durchschauen. Man möchte suggerieren, dass man das Produkt oder die Dienstleistung nicht etwa deshalb anbietet, damit die eigene Kasse klingelt, sondern um anderen einen Gefallen zu tun. Und zudem soll das Gefühl erzeugt werden, dass man als Kundschaft keine anonyme Masse ist, sondern jeder Einzelne wahrgenommen und in seinen Bedürfnissen erkannt wird.

Sorry, aber für wie gutgläubig und naiv halten die ihre Kundschaft? Warum nicht einfach und ehrlich kommunizieren: unser Angebot, unsere neue Kapsel-Kreation?

Und warum dieser unsägliche Trend zur Infantilisierung und Verdummung? Es ist schon schlimm genug, dass Frauen in der Werbung eines bekannten Online-Händlers als überdrehte Dummchen dargestellt werden, die hysterisch anfangen zu schreien, wenn das Paket mit den neuen Schuhen kommt. Aber dass auch der Online-Shop eines Designer-Labels meine banale Bestellung eines Gürtels mit den Worten quittiert: "Ihre Bestellung ist eingegangen. Jetzt ist Zeit für Vorfreude", ist einfach albern. Vorfreude? Und zwei Tage später erhalte ich eine Mail: "Grossartige Neuigkeiten von unserem Logistikzentrum. Ihre Bestellung ist seit heute auf dem Weg zu Ihnen."

Man kann ja bekanntlich nicht nicht kommunizieren. Und der Sender einer Botschaft teilt mit, was er über den Empfänger denkt. Glauben die jetzt wirklich, dass ich hier aufgeregt sitze und mir die Fingernägel kaue, weil in wenigen Tagen ein Päckli mit einem Gürtel kommt? Warum muss alles zwanghaft emotionalisiert werden? Die Botschaft ist natürlich auch ein Appell. "Freu dich, das Päckli kommt." Konsum soll Freude machen, Glücksgefühle erzeugen. Wie arm muss mein Leben ansonsten sein, wenn ich mir über Konsum und Schuhbestellungen Glückgefühle verschaffen muss? Eine sachliche Bestell- oder Versandbestätigung wäre mir deshalb entschieden lieber.

Überhaupt wäre es wohl grundsätzlich sinnvoller, Dinge beim Namen zu nennen. "Al pan pan y al vino vino" wie der Spanier sagt. Das Brot soll man Brot nennen und den Wein Wein. Fertig. Das nehme ich mir für diesen Monat vor: die Dinge beim Namen nennen. Deshalb mein Angebot speziell für Sie: Machen Sie mit und wehren Sie sich gegen Verschleierungs-Blabla!

Viel Erfolg wünscht
Ihre Gunhild Hinkelmann




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