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    Kommunikation in der Servicewüste
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Nachdem ich einen sonnigen Juli an der Ostsee verbracht habe und einen regnerischen ersten August in den Bergen, möchte ich Ihnen zwei Beispiele der erlebten kommunikativen Fauxpas präsentieren.

1. Binz auf Rügen: Wir sitzen mit einem befreundeten Paar in einem hippen Burger-Grill, der zur Kette "Hans im Glück" gehört. Auch wenn wir mit dem Essen durchaus glücklich sind (OK, mein veganer Burger ist kalt, unser Freund René hat das falsche Brötchen bekommen und die Bierbestellung meines Mannes geht vergessen), können wir uns leider nicht unterhalten, weil die Techno-House-Musik so dermassen laut aus den Lautsprechern schallt, dass selbst unser 19-jähriger Sohn das übertrieben findet. Wir bitten die Service-Mitarbeiterin, die Musik etwas leiser zu machen. Ihre verblüffende Antwort: "Das geht nicht. Das wird alles von der Zentrale gesteuert." Aha, irgendwo steuert ein Big Brother mit magischer Hand in allen "Hans-im-Glück"-Lokalen die Lautstärke. "Aber wir können uns nicht unterhalten", wenden wir ein, "und am Nebentisch ist schon eine Familie wieder gegangen". Die Mitarbeiterin lässt sich nicht beirren: "Die Musik gehört zum Konzept. Wir sind ja auch kein Restaurant, sondern eine Lounge. In Hamburg ist die Musik übrigens noch viel lauter und in München auch. Und unser Konzept kommt extrem gut an."

Also bei mir jedenfalls nicht. Ich möchte mich nicht einem Konzept unterordnen, wenn ich in ein Restaurant gehe. Immerhin übernehmen wir den Spruch und witzeln den ganzen Abend noch darüber, was für ein Konzept wir uns vornehmen. Damit wir uns vielleicht doch in Ruhe mit unseren Rügener Freunden unterhalten können, gehen wir in die Bar des Hotels Vier Jahreszeiten, wo es relativ leer und leise ist. Die dortige Servicemitarbeiterin eröffnet uns unumwunden: "Das ist mein erster Tag hier. Und der Chef ist nicht da, hat aber gestern die Karte komplett geändert. Wir haben eigentlich nichts." Wir halten die Einführung für einen Scherz, doch eine weitere Angestellte erklärt uns: "Tja, meine Kollegin hat ihren ersten Tag und ich bin eigentlich aus einer ganz anderen Abteilung. Am besten sagen Sie, was Sie trinken möchten, weil wir wie gesagt keine Karte haben." "Äh, aber draussen hängt doch eine Karte. Ich bin jetzt irgendwie überfordert, können Sie uns nicht doch mal die Karte bringen?", stammelt unser fast sprachloser Freund René.
"Das bringt nichts, weil es das Spielchen nur in die Länge ziehen würde. Sie wählen etwas aus und ich werde Ihnen sagen, dass wir das nicht haben. Der Chef hat lauter neue Weine im Schrank, aber keine Preise. Da können wir würfeln. Ausserdem hat er den Schlüssel vom Schrank mitgenommen."

Man wähnt sich zurückversetzt in die Zeit der DDR, wo man noch froh war, wenn man Gäste möglichst ohne Aufwand und schnell wieder loswurde. Und natürlich suchen wir tatsächlich schleunigst das Weite, decken uns in einer sympathischen Vinothek namens Montevino mit wunderbarem Wein und ein paar Tapas ein und geniessen das Ganze auf der Dachterrasse unserer Ferienwohnung bei Mondschein und Meeresrauschen. Das Konzept passt uns, schöner kann kein Lokal sein, wie wir alle finden.

2. Daheim in der Schweiz: Schon lange hatten wir uns auf ein 1.August-Wochenende auf der Alp Flix gefreut, eine Alp auf 1900 Metern mit einem winzigen Dorf. Ein kleines Hotel wird dort von einem Burgenländer und einer Holländerin betrieben, wo man hervorragend essen kann, wie wir bereits von einer Stippvisite an einem Sommernachmittag im letzten Jahr wussten. Nun wollten wir dort drei Nächte in einer "Juniorsuite" verbringen, für 400 CHF pro Tag inkl. Halbpension. Wahrlich kein Pappenstiel, aber die müssen ja auch alles dort hochschaffen. Beim Empfang wird man gleich freundschaftlich geduzt. Dann die merkwürdige Frage: "Bleiben wir beim Du?" Kann man vom Du aufs Sie umschwenken? Doch wohl höchstens umgekehrt. Unser Zimmer ist ganz oben unterm Dach, einigermassen gross und mit schöner Aussicht zu allen Seiten. Neben dem Bett prangt eine riesige freistehende Badewanne. Witzig. Natürlich gibt es auch ein Badezimmer. Doch dann die Überraschung: Das Bad besteht aus einem Waschbecken und einer Toilette, davor ist eine Glastür. Wie sinnig. Wenn man auf dem Bett liegt, schaut man aufs Klo. Sehr romantisch, wenn man im Bad unter ständiger Beobachtung ist. Die bange Nachfrage bei der Wirtin: Nein, wir haben kein anderes Zimmer frei. Na ja, wird schon irgendwie gehen mit dem Duschen in der Wanne. Am nächsten Morgen stelle ich entnervt fest, dass es nicht geht. Und beim Frühstücksbuffet muss ich mich als Veganerin auf trockenes Brot mit Marmelade beschränken. Weder Margarine noch frische Früchte. Wir gehen zur Hausherrin und verkünden, dass wir unseren Aufenthalt von drei Tage auf zwei Tage verkürzen möchte, weil uns das Zimmer nicht gefällt und ich kaum etwas zum Frühstücken finde. "Früchte muss man verlangen", die plausible Antwort. Aha. Und es sei in Ordnung, wenn wir einen Tag eher abreisen möchten. Wir könnten es noch überlegen. Nebenbei höre ich, wie ein Junge sich erkundigt, wie man das WLAN (es funktioniert nur nachts ab 22.00 Uhr) bekommt, denn es sei gestern Nacht nicht gegangen. Sie habe vergessen, es einzuschalten, da müsse man halt anrufen. Hier geht also offensichtlich vieles nur auf Nachfrage.

Eine Stunde später wollen wir den um einen Tag verkürzten Aufenthalt klarmachen. Die Hausherrin: "OK, ich versuche das Zimmer wieder zu vermieten. Sonst ist es für euch mit einem kleinen Aufpreis verbunden." Davon war vorher keine Rede. "Wie hoch ist denn der kleine Aufpreis?", frage ich. "100 Prozent", die verblüffende Antwort. Wie hoch wäre dann wohl ein grosser Aufpreis?

Sie können sich vorstellen, dass der Rest unseres Aufenthalts atmosphärisch etwas angestrengt war. Ich hatte mir die angepriesene "absolute Ruhe" auch anders vorgestellt. Die Gaststube war morgens und abends gefüllt mit Gruppen und Grossfamilien, deren Kinder den Unterschied zum Verhalten daheim und in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht gelernt hatten.

Entschädigt wurden wir aber abends am 1. August bei einem tollen Höhenfeuer mit den Einheimischen. Statt Raketen in die Luft zu jagen, sangen die Frauen rätoromanische Lieder im Mondschein. Einfach traumhaft!

Fazit: Auch wenn es manchmal mit dem Service gar nicht klappt: nicht den Glauben an das Positive verlieren. Vieles, was harzig beginnt, endet doch noch gut. Aber man sollte auch nicht einfach alles akzeptieren, sondern freundlich und bestimmt seine Meinung sagen. Nur so kann es besser werden!

Ihre
Gunhild Hinkelmann




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