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Wetter! Donnerwetter! Immer wieder treffe ich Menschen, die sich als Smalltalk-Unsichere outen. Und die verzweifelt nach geeigneten Themen suchen. Das Wetter gilt an sich eher als Gesprächseröffnung für Einfallslose. Doch manchmal bietet es sich durchaus als Einstiegsthema an.

Das Wetter – eigentlich ein naheliegendes Smalltalk-Thema, weil es zwar etwas banal, aber doch so unverfänglich ist. Doch nur scheinbar, denn in Grossbritannien tun sich auch beim Wetter Fettnäpfchen auf. George Mikes, der bekannte englische Humorist, prägte die Regel: „Widersprich niemals jemandem, der über das Wetter spricht.“ In den letzten Tagen fiel es uns leicht, diese Regel zu befolgen. Wer würde nicht von Herzen zustimmen, dass dieser Frühling absolut grauenhaft ist, dass das Wetter eher dem November entspricht und dass wir das einfach nicht verdient haben. Es wäre jedoch das Schlimmste anzumerken, dass der Mai und der Juni bei uns in der Regel recht feucht und kühl sind, dass man Wanderungen generell nie vor Juli planen sollte und dass man sich doch nicht so aufregen soll, weil man ja sowieso nichts daran ändern kann, ausser man ist Petrus. Dies würde zum abrupten Ende der Konversation führen und lang gewachsene Freundschaften wären ernsthaft gefährdet. Übrigens: direkter Widerspruch und das Kleinreden von Problemen anderer kommen selten gut an bei der Kommunikation, egal, bei welchem Thema.

Sicher, Smalltalk übers Wetter wirkt ausgesprochen unoriginell. Doch die Bemerkung über einen Langweiler: "Er ist der Typ, der mit dir über das Wetter spricht." hat dieses Frühjahr seine abschätzige Bedeutung verloren. Im Gegenteil, Leute, die mit uns das Wetter diskutieren geben uns Gelegenheit, tiefschürfende Gedanken von historischer, meteorologischer, klimatischer, agrarischer und gesellschaftlicher Dimension von uns zu geben.

"Ja", erwidert unser Gesprächspartner auf die Klage über die Kälte und Nässe, "ich erinnere mich an genau solche Tage im Mai 1968. Oder war es 1996? Auf jeden Fall vor der globalen Klima-Erwärmung. Was aus der wohl geworden ist? Da werden die Forscher aber gründlich über die Bücher gehen müssen.“ Und übrigens, frei nach Loriot: "Man muss ja auch an die Landwirtschaft denken." Wobei, den armen Landwirten säuft gerade die Spargelernte ab. Wie dem auch sei, in solchen Zeiten muss man zusammenhalten. „Darf ich Ihnen noch einen heissen Tee bestellen?" kann die galante Überleitung von einer Bemerkung über das schlechte Wetter zu einer tiefgehenden Konversation sein.

Ausserdem bietet die schlechte Wetterlage die Gelegenheit, z.B. sportliche Erfolge so ganz nebenbei in die Runde zu werfen: "Ja, grauenhaft das Wetter. Also im März, beim Engadiner Ski-Marathon, war es doch so warm und sonnig. Ich habe das richtig genossen." Und schon hat sich das schlechte Wetter auf zauberhafte Weise in die strahlende Sonne der bewundernden Blicke der Umstehenden verwandelt. Na ja. Die Gefahr, vom Langweiler zum Angeber zu mutieren, wenn man nun anfängt, all seine läuferischen Heldentaten auszubreiten, besteht hier allerdings doch. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man schamlos die Wetterlage zur persönlichen Profilierung missbraucht.

Trotzdem kann das Wetter – wenn es so offensichtlich schlecht ist – ein guter Brückenbauer sein. Man kann anmerken, dass man im April zum Glück schon in wärmeren Gefilden war und etwas Sonne tanken konnte. „Ach, wo waren Sie denn?“ fragt das Gegenüber. „Zwei Wochen auf Bali“, antworten Sie. „Bali, da war ich schon mal. Wir haben unsere Hochzeitsreise dorthin gemacht.“ Und schon kommt das Gespräch in Gang. Übrigens: Ich war tatsächlich im April auf Bali. Und immer, wenn ich das erwähne, erwidern meine Gesprächspartner, dass sie auch schon dort waren. Bali ist offensichtlich ein sicherer Wert, wenn es darum geht, Gemeinsamkeiten zu entdecken.

Was immer funktioniert, ist die Solidarisierung der Mitmenschen in Bezug auf die Wetterfrösche in den Medien. "Was die aber auch immer für einen Blödsinn erzählen! In den letzten vier Tagen hat die Vorhersage nicht ein einziges Mal gestimmt!" Wer dem widersprechen will, muss harte Fakten präsentieren, und wer hat schon so akribisch den Wetterbericht überprüft? Natürlich auch derjenige nicht, der den Vorwurf in Richtung Medien-Wetterfrösche geäussert hat. Aber man darf ihm auf keinen Fall widersprechen (siehe Regel oben), denn das könnte zu einer hässlichen Auseinandersetzung und Rechthaberei führen. Und das gehört niemals in einen Smalltalk über das Wetter. Also stimmen wir zu. Denn Sie wissen ja: Gemeinsamkeiten erzeugen Sympathie, Widerspruch und Trennendes erzeugt Antipathie.

Jetzt kann man nur hoffen, dass uns das Wetter als Smalltalk-Brückenbauer im Juni erhalten bleibt. Aber zur Abwechslung mal in der Version des ungewöhnlich guten Wetters. Wie der Supersommer 2003 - vor 10 Jahren. Denn auch aussergewöhnlich gutes Wetter eignet sich zum Smalltalk. Nur normales Wetter ist ungeeignet, denn normal ist banal.

In diesem Sinne wünsche ich uns einen ungewöhnlich heissen Juni.

Ihre
Gunhild Hinkelmann




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