Sitemap  
    Mit guten Manieren und Stil auffallen und die Welt verändern. Im März T wie
Willkommen
Archiv / Tipps
Porträt
Rhetorik
Gewinnende Kommunikation
Moderne Umgangsformen
Coaching
Kontakt

 
 
Trends. Grün ist Trend, in jeder Beziehung, genauso wie vegane Ernährung, Eiweiss statt Kohlehydrate, faire Mode, Anti-Aging, Yoga, Apps, Downshifting und Kommunikation via Social Media. Doch ist man wirklich trendy, wenn man jedem Trend folgt?

Neulich in einem sehr schönen Tiroler Hotel abends beim Dinner: Unser Tisch ist am Gang, so dass wir das Vergnügen haben, die Gäste an uns vorbeidefilieren zu sehen und ganz nebenbei noch voyeuristische Bedürfnisse befriedigen können. Am Wochenende fällt hier augenscheinlich die Münchner Schickeria ein. An unserem Nachbartisch nimmt ein trendiger Silver Ager im knallblauen Blümchenhemd mit seiner Begleiterin Platz. Die Dame sieht ein bisschen so aus wie eine blondierte Japanerin. Vielleicht ist aber auch einfach beim Lidstraffen oder Botoxspritzen etwas schiefgegangen. Jedenfalls ist sie im besten Alter, blonder Pagenschnitt, überdimensionale Nerd-Brille, enge schwarze Hose, oben raffinierter Umhang in Neongrüngelb. Wow! Weltmännisch lässt sich der Geblümte durch die Champagnerkarte für Fortgeschrittene führen und ordert eine Flasche. Dafür wird ihnen die Auswahl an Räucherfischen und Meeresfrüchten gleich am Tisch serviert, während sich die weniger champagnerkonsumfreudige Gästeschar dafür zum Buffet bewegen muss.

Wenig später kommt ein Paar, er ganz Gentleman im klassischen Brit-Schick, sie eine überaus aparte und hochgewachsene Erscheinung in Schwarz, oben mit einer neongrüngelben Umhüllung. Mir wird klar: Neongrüngelb ist die neue Trendfarbe für den Frühling. Und wer etwas auf sich hält, hat sich bereits im Februar damit eingedeckt und nicht erst, wenn alle den Winter ad acta gelegt haben und sich mit dem Gedanken tragen, die Frühlings- und Sommergarderobe zu ergänzen, vor allem weil die Bonus-Bons diverser Modehäuser täglich den Briefkasten füllen.

Die Selbstaussage der neongrüngelben Ladys ist damit klar: „Ich bin trendig“. Was mir aber nicht entgeht, ist der indignierte Blick der japanisch wirkenden Blonden am Nachbartisch. Argwöhnisch mustert sie die neuankommende Neongrüngelbe. So als wolle sie sagen: „Du Luder, wagst es hier ebenfalls in meiner Trendfarbe zu erscheinen und stiehlst mir die Show.“
So ist das mit Trends. Zum einen geben sie einem eine gewisse Sicherheit, wenn man Neues wagt. Das Wissen, dass dies ein, quasi anerkannter, Trend ist, der offensichtlich dem Bedürfnis vieler Menschen entspricht. Und viele können sich ja nicht irren. Auf der anderen Seite ist da aber auch der Wunsch, etwas Besonderes zu sein und sich von der Masse abzuheben. Deshalb dann die Ernüchterung, wenn man sieht: Ich bin nicht allein, das machen ganz viele so.

Die Unkenntnis von Trends, z.B. in der Mode, kann auch zu völligen Fehleinschätzungen führen. So ging es mir, als ich in besagtem Hotel ein weiteres Paar fasziniert betrachtete, beide dynamisch-schlanke Endfünfziger oder Mittsechziger. Zum Abendessen erschien er in roter Jeans mit einem cognac-curry farbigen Hemd und einem ebensolchen Pulli, lässig um die Schultern gelegt. Sie, burschikoser Kurzhaarschnitt in Karottenrot, der ihre Gesichtszüge hart und verhärmt erscheinen liess, trug eine cognac-curry farbige Jeans, dazu eine rotverwaschene Bluse und einen ebensolchen Pulli, lässig um die Schultern gelegt. Mein spontaner Gedanke war: „Wie sehen die denn aus? Wo haben die bloss diese Klamotten ausgegraben?“

Welch grobe Fehleinschätzung! Erst später, als ich beim Coiffeur die Modemagazine durchblätterte, wurde mir klar, dass mein Urteil auf Ignoranz beruhte. Überall in den Magazinen sah ich Models in verwaschenen warmen Rottönen und Cognaccurry. Natürlich auch in sogenannten Sorbet-Tönen und floralen Prints. Man könnte auch sagen in Seifenfarben und Blumenmustern. Und man könnte auch sagen, dass diese blumengemusterten Hosen stark an Pyjamas erinnern und dass überhaupt so ein seifenfarbenes Blümchenoutfit an einem Mädchen unter zehn bestimmt megaherzig aussieht, aber wohl kaum an einer erwachsenen Frau. Aber wie gesagt, ich bin da halt so gar nicht trendy in Sachen Fashion.

Mein Tipp für den März: Geniessen Sie es, manchmal out zu sein und quasi neben dem Mainstream zu laufen. Lesen Sie mal wieder ein Buch statt eines Ebooks. Schreiben Sie mal wieder einen richtigen Brief auf Papier! Pfeifen Sie auf den Trend Lebensmittelskandal und gehen Sie zum Metzger Ihres Vertrauens, lassen Sie sich ein mageres Bratenstück vor Ihren Augen im Fleischwolf zerkleinern und basteln Sie sich zuhause daraus eine nicht-vegane und nicht kohlehydratfreie, dafür aber megaleckere Lasagne. Bei Interesse schicke ich Ihnen gerne ein Rezept, dessen Endprodukt unlängst meine Familie in Verzücken versetzt hat. Das ist natürlich alles ein bisschen teurer, als fertiges Hackfleisch dubioser Herkunft aus dem Supermarkt zu kaufen – oder noch schlimmer – eine Fertiglasagne mit hunderten von Zusatzstoffen und Zutaten aus der halben Welt. Sparen kann man dann woanders. Nämlich bei den Ausgaben für rote Hosen und blumiges Orange.

Ich sage mir immer, man muss ja nicht jeden Blödsinn mitmachen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen sinnlich-rationalen März

Ihre Gunhild Hinkelmann






Zurück