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    Mit guten Manieren die Welt verbessern und positiv auffallen. Im November P wie pünktlich.
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Wie pünktlich ist pünktlich?
Gerade eben haben wir den Wechsel zur Winterzeit verkraften müssen und die Uhren umgestellt. Martin Suter philosophiert in seinem neuen Roman „Die Zeit, die Zeit“ über die Relativität der Zeit bzw. ob es sie überhaupt gibt. Doch was nützen mir philosophische Gedankenspiele, wenn ich einen Termin habe. Da ist die Zeit wohl kaum relativ, oder?


Das Dienstreglement der schweizerischen Armee hält fest:

"Im Dienstbetrieb sind Pünktlichkeit, Genauigkeit und Sauberkeit erforderlich."
(Kap. 5, Dienstbetrieb)

Niemand wird bezweifeln, dass es sich dabei um eine sinnvolle Anordnung handelt. In einer so grossen und komplexen Organisation wie der Armee muss alles wie ein Schweizer Uhrwerk laufen, sonst droht das Chaos. Ebenso logisch ist es, dass man bei öffentlichen Verkehrsmitteln und Veranstaltungen keinen relativen Umgang mit Zeit erwartet. Umso irritierter war ich, als ich neulich eine Wochenendreise von der Schweiz nach Bremen mit der Deutschen Bahn unternahm und mir dort alles ein bisschen sehr relativ vorkam. Der Wagen, in dem wir reservierte Plätze hatten, existierte nicht. „Heute ohne Wagen 12“ hiess es schon auf der Leuchttafel bei der Abfahrt in Bremen. Der Zug von Hannover nach Zürich war erst sieben Minuten verspätet, im Laufe der Fahrt dann 20 Minuten. Und er endete unplanmässig wegen der grossen Verspätung schon in Basel SBB.

Egal, beschränken wir uns auf Beziehungen im kleineren Kreis und lassen Grossveranstaltungen, Militär und Verkehrsmittel aus. Es geht hier um die Bedeutung der Pünktlichkeit im zwischenmenschlichen Bereich, um ihre Rolle im Privatleben. Denn dass man man im Business pünktlich ist, versteht sich von selbst.

Weil wir nach Watzlawick nicht nicht kommunizieren können, teilen wir unseren Mitmenschen immer etwas mit, wenn wir pünktlich sind - oder eben nicht. Was immer auch der Anlass für ein Treffen ist, wenn unser Gegenüber spürt, dass wir uns Mühe gegeben haben, pünktlich zu erscheinen, drücken wir damit Wertschätzung aus. Und wie wir ebenfalls von Herrn Watzlawick wissen, hat jede Kommunikation neben dem Inhaltsaspekt einen Beziehungsaspekt, der den Inhaltsaspekt bestimmt.

Wer zu spät zum ersten Date erscheint, hat schon mal verloren. Dabei ist es nicht altväterlich, wenn sich der Mann sogar etwas zu früh einfindet: es könnte ja noch etwas herzurichten oder vorzubereiten geben, damit beim Eintreffen der Frau alles perfekt stimmt und wenn es nur der Krawattenknopf oder die Frisur ist. Frau hingegen wird eine Toleranz von fünf Minuten wohl zugestanden - aus ähnlichen Gründen, d.h. es wird ihr etwas mehr Zeit eingeräumt, letzte Abstimmungen vorzunehmen. Wer das nicht einhält signalisiert: Ich nehme es nicht so genau mit der Zeit und wenn dir das nicht passt, dann ist es mir auch egal. Das können sich nur die ganz Schönen, ganz Berühmten und ganz Reichen dieser Welt erlauben.

Wenn Freunde zu sich einladen, ist es wichtig, dass die Zeit unmissverständlich angegeben wird. "Ab 18 Uhr" heisst, dass man bis zu einer halben Stunde später kommen darf. "18 Uhr" ist klar: pünktlich auf die Minute. Aber: bis zu zehn Minuten liegen noch innerhalb der Höflichkeit - man könnte ja Rücksicht genommen haben auf die oft etwas verspäteten Vorbereitungen der Gastgeber. Wer hat nicht schon den panischen Ausruf gehört: "Oh, die sind schon da und ich habe das Dessert noch nicht fertig, bzw. das Badezimmer noch nicht aufgeräumt, bzw. den Champagner erst vor zwei Minuten kalt gestellt!!!"

Falls Sie aus irgendwelchen Gründen nicht pünktlich sein können: immer schön das Handy parat halten, damit Verzögerungen mitgeteilt werden können. „Batterie leer“ geht da gar nicht.

Neulich luden uns Nachbarn ein mit der Zeitangabe "ca. 18 Uhr". Das ist durchaus interpretationsfähig. Während wir annahmen, es handle sich um "ab 18 Uhr" waren sie der Meinung, es dürften doch nicht mehr als die zehn Toleranzminuten sein. Als wir dann um 18.15 das Haus verliessen, klingelte schon das Telefon, wo wir denn seien. Fazit: "circa" ist relativ.

Es gibt Leute, die reut es, wenn sie ein paar Minuten vergeuden, indem sie etwas zu früh kommen. Dann sagen sie sich, "Ach, da kann ich ja noch schnell bei Jebus reinschauen, bevor ich zum Café gehe." Und sind dann prompt zehn Minuten zu spät bei Hüpfli, wo die Dame oder der Herr bereits die Uhr konsultiert und der erste Kaffee sein Schümli eingebüsst hat. Dann schon lieber das Ziel mit einem kleinen Spaziergang umkreisen und elegant zur Punktlandung ansetzen. Macht Eindruck. Andererseits können charmante Stories, die das Zuspätkommen entschuldigend erklären, auch unterhaltsam sein. Aber nur, wenn sie wirklich gut sind. Und die machen viel Arbeit.

Allgemein gilt: Wer genau pünktlich (Pleonasmus!) sein will, muss immer etwas früher da sein. Statt zu früh zu kommen, sollte man aber lieber noch etwas ums Ziel kreisen. Und genau pünktlich ist nie falsch. Sie sagen: „Banal!“ Ich auch, aber meine Erfahrung zeigt, Banalität stellt sich nicht von selbst ein. Darum muss man sich schon bemühen. Doch die Mühe lohnt sich. Wenn ich pünktlich bin, habe ich meinem Gegenüber Wertschätzung gezeigt. Wenn ich nicht pünktlich bin, das Gegenteil – mindestens könnte der/die andere es so interpretieren. Und eine negativ belastete Beziehungsebene ist sicher kein guter Gesprächseinstieg.

In diesem Sinne – mein Tipp für den November: Auch wenn der Spanier sagt „Más vale tarde que nunca“ (Besser spät als gar nicht – aber wir wissen ja, wohin diese Haltung geführt hat), lieber die alte Seemannsweisheit „Fünf Minuten vor der Zeit, sind des Seemanns Pünktlichkeit.“




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