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    Mit guten Manieren die Welt verbessern - und positiv auffallen. Im Mai J wie "Junger Jargon"
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Gerade den Frühling assoziiert man mit jugendlicher Leichtigkeit und Elan. Frühlingskuren versprechen uns, mit allerlei Essenzen und Wunder-Diäten genau dieses Gefühl von jugendlicher Frische einzufangen. Aber muss wirklich alles jugendlich frisch daherkommen? Und ist „Sie sehen aber viel jünger aus“ wirklich ein Kompliment?

Jung und alt – ein heikles Thema. Die Definition dieser Begriffe gilt es zu überdenken, denn unsere Gesellschaft hat sich verändert. Damit sollten sich auch die Wahrnehmung und die Vorstellungen ändern. Ein Sechzigjähriger kann heute durchaus fitter sein als manch ein Dreissigjähriger. Früher bezeichnete man eine Fünfzigjährige schon als „ältere Dame“, heute würde eine Fünfzigjährige dies als Beleidigung empfinden. Wenn man Fettnäpfchen vermeiden will, sollte man also das Thema Jung und Alt mit Fingerspitzengefühl angehen. Wie fragt z.B. ein Zwanzigjähriger eine 30 Jahre ältere Dame nach ihrem Alter? Eigentlich ist der Fall klar: nämlich gar nicht. Es kann aber im Alltag durchaus Situationen geben, wo dies trotzdem vorkommt. Vor der Herausforderung, diese heikle Situation zu meistern, stand unlängst ein junger Mann im Fitnessstudio, der bestimmte Eckdaten in ein Trainingsprogramm eingeben musste. Erschwerend hinzu kam noch der bei sportlichen Anlässen vorgegebene Rahmen, dass man andere selbstverständlich duzt, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht. Denn eigentlich müsste ja, wenn schon, die ältere Person bzw. die Dame das Du anbieten. Offensichtlich war dieses leicht Prekäre der Situation dem Fitness-Instrukteur bewusst und er griff beherzt zur Formulierung: „Wie jung bist du?“
Ich fand das eine durchaus elegante Möglichkeit, der Situation das Heikle zu nehmen.

Immer wieder hört man auch das nett gemeinte Kompliment: „Sie sehen viel jünger aus“ oder „Was, du bist schon 50? Das hätte ich nicht gedacht“. Wie gesagt, es ist nett gemeint, doch wenn man einmal wirklich darüber nachdenkt, dann sagt das Gegenüber damit auch: „Eigentlich bist du schon alt, aber du hast das Glück, dass es man dir nicht ansieht.“ Selbstverständlich macht es keinen Sinn, solche negativen Beziehungsbotschaften aus dieser Art von Komplimenten herauszuhören und beleidigt zu reagieren. Stattdessen sollte man die Äusserung auf dem Selbstaussageohr hören. Was sagt der/die andere damit über sich selbst aus? Genau, dass er/sie ein Bild von Fünfzigjährigen hat, das nicht mehr der Realität entspricht und Anpassung bedarf. Eigentlich sollte man lächelnd zurückfragen. „Wie stellen Sie sich denn eine Frau/einen Mann meines Alters vor?“

Die Kommunikation fordert uns also immer wieder heraus, darüber nachzudenken, welch unterschwellige Botschaften wir beim Gebrauch der Sprache noch vermitteln und was wir über unsere eigene Wahrnehmung und unsere Wertsysteme preisgeben.

Gerade junge Menschen setzten sich natürlich gern über die Konventionen im Sprachgebrauch hinweg. Um sich von den „Alten“ abzusetzen, kreieren sie gern ihre eigene Sprache. Der Gebrauch dieses Jugendjargons signalisiert die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Umso peinlicher wirkt es, wenn sich Menschen in fortgeschrittenen Lebensabschnitten immer noch des Jugendjargons bedienen – zumal dieser sich natürlich permanent weiterentwickelt. Ausdrücke, die vor 20 Jahren hip waren, sind heute out. Wer heute noch so etwas sagt wie „dufte Biene“, blamiert sich. Umgekehrt sollten aber auch jüngere Menschen wissen, wann sie welche Register ziehen können. So erhielt ich unlängst die Mail eines Studenten, der sich dafür entschuldigte, dass er zu spät zum Unterricht gekommen und früher wieder gegangen war: „Ich bin nach Hause gegangen, um den Text zu erstellen, weil ich keinen Bock hatte, dies in der FH zu tun“. Natürlich habe ich die gute Absicht des Studenten gleich erkannt, musste aber doch ob der Formulierung schmunzeln.

So, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt, so muss es auch die Sprache tun. Es wird immer anspruchsvoller, den richtigen Ton zu treffen. Menschen, die gerade 60 oder 65 geworden sind, zum gemütlichen Seniorentreff in der Gemeinde einzuladen und gleich noch bei Bedarf einen Fahrservice anzubieten, kommt bei vielen fitten Sechzigern nicht so gut an. Und doch ist es wie ein Reflex, dass man immer gleich überlegt, wenn man jemanden kennenlernt, wie alt der Mensch wohl ist. Ein Paradigmenwechsel ist angesagt. Ich werde dem Beispiel meines Fitnesstrainers folgen und mich ich Zukunft immer fragen, wie jung dieser Mensch wohl ist. Oder warum nicht: Wie reif ist dieser Mensch?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen jugendlich-frischen Mai mit viel reifer Sonne.

Ihre

Gunhild Hinkelmann





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