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Auch wenn andere sich schlecht benehmen: Mit Contenance und stilvollem Auftreten fallen Sie umso mehr auf. Und tragen aktiv dazu bei, dass die Welt ein bisschen besser wird. Hierzu jeden Monat praktische Tipps von Anrede bis Zuhören. Im November D wie Deutsche in der Schweiz, ein Dauerbrenner.

Der Strom der germanischen Masseneinwanderung hält unvermindert an. Auch wenn Deutsche weniger als Raser und Schläger von sich reden machen, so richtig gemocht werden sie nicht. „Ist halt eine Deutsche/ein Deutscher“, heisst es immer wieder und man nickt verständig. Aber was bedeutet das eigentlich? Welche Eigenschaften unterscheiden denn Deutsche so markant von den Eidgenossen? Vor allem wohl die Kommunikation.

Fragt man einen Schweizer oder eine Schweizerin, was sie mit „typisch deutsch“ verbinden, dann erhält man Antworten wie: Besserwisser, direkt, laut, ehrlich, können sich gut ausdrücken, meckern, regen sich auf, sprechen schneller, arrogant. All diese Assoziationen haben viel mit der anderen Art zu kommunizieren zu tun, die in der Schweiz vorherrscht. Worauf sollten Deutsche also beim kommunikativen Auftritt achten? Hier ein kleiner Knigge für Nordappenzeller/innen – und solche, die es werden wollen:

1. Hören Sie sich so schnell wie möglich ins Schweizerdeutsche ein, damit Sie es verstehen. Hochdeutsch empfinden Schweizer/innen als Fremdsprache und sprechen es ungern. Es ist für sie die Schriftsprache und damit eher mit Kopf und Analyse verbunden, nicht aber die Sprache des Herzens und der Spontanität. Kommunikativ empfinden sich die Eidgenossen sowieso den Deutschen unterlegen. Wenn Sie sie zwingen, mit Ihnen Hochdeutsch zu sprechen, verstärken Sie dieses Gefühl der Unterlegenheit bei Ihren Gesprächspartnern.

2. Bleiben Sie selbst grundsätzlich beim Hochdeutschen, aber übernehmen Sie landestypische Gruss- und Höflichkeitsformeln sowie gängige Helvetismen:

„Grüezi“ statt „Guten Tag“
„Ade“ statt „Auf Wiedersehen“
„Merci“ statt „danke“
„Hoi“ statt „hallo“
„Ciao“ statt „tschüss“ (nur wenn man per Du ist)
„Fein“ statt „lecker“
„Parkieren“ statt „parken“
„Glacé“ statt „Eiscreme“ (auf der ersten Silbe betont)
„Poulet“ statt „Hühnchen“
„Jupe“ statt „Rock“
„Couvert“ statt „Umschlag“
„Brötli“ statt „Brötchen“
„Gipfeli“ statt „Croissant“
„Es Coki“ statt „´ne Cola“
„Oder?“ statt „nech?“

Wenn Sie aus Baden-Württemberg kommen und einen alemannischen Dialekt sprechen, können Sie diesen problemlos beibehalten. Das finden Schweizer sogar sympathischer als das „kalte“ Hochdeutsch. Mit Kölsch oder Sächsisch werden Sie weniger Erfolg haben.

Soll man Schweizerdeutsch lernen? Wenn man in jungen Jahren in die Schweiz gekommen und hier zur Schule gegangen ist, unbedingt. Wovon ich ausdrücklich abrate, ist von einer plumpen Anbiederung durch das Übernehmen eines Pseudo-Schweizerdeutschen. Wenn Deutsche aus den nördlichen Landesteilen sich an einem bunten Mischmasch aus Hochdeutsch und Schweizerdeutsch versuchen, dann tönt (nicht „klingt“) das für die meisten Schweizer Ohren schrecklich, so als wolle man sich lustig machen. Auch mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich so etwas höre wie: „Man muss lernen, vor die Lüüt anne zu staan.“

3. Sprechen Sie in einem ruhigen und freundlichen Tonfall und vermeiden Sie eine zu direkte Ausdrucksweise. Drücken Sie sich indirekt aus und verwenden Sie häufiger den Konjunktiv:
„Könnte ich noch einen Café haben bitte“ statt „Ich krieg noch einen Kaffee“. „Ich krieg noch“ ist übrigens ein schrecklich prolliger Ausdruck, den ich auch in Deutschland niemals gebrauchen würde.
„Ich wäre noch froh, wenn ich dann zahlen könnte“ statt „Zahlen bitte!“

4. Verzichten Sie auf jegliche Art von Belehrung. Wenn Sie anderer Meinung sind als Ihr Gesprächspartner/Ihre Gesprächspartnerin, dann quittieren Sie das mit einem entspannten Lächeln und halten sich zurück. Sie bedienen sonst nur gängige Vorurteile. Wenn Ihr Gesprächspartner z.B. sagt: „Die cheibe Tüütsche nähmet eus d‘Arbeit wäg“, verzichten Sie darauf, zu einem Exkurs darüber anzusetzen, dass Schweizer Spitäler (nicht „Krankenhäuser“) ohne deutsches Personal ihren Betrieb einstellen müssten.

5. Machen Sie sich nicht über Schweizer Eigenheiten lustig: Schwingen, Bräteln, Bankgeheimnis. Verzichten Sie gänzlich auf ironische Bemerkungen. Schweizer untereinander sind oft charmant ironisch und „zünden sich an“ (nein, keine Sorge, das sind keine gegenseitigen Brandanschläge, sondern heisst nur, dass man sich gegenseitig neckt). Wenn Deutsche das machen, finden Schweizer es jedoch gar nicht lustig. Seit Herrn Steinbrücks Indianer-Vergleich noch weniger.

6. Genauso wie in Grossbritannien für Deutsche gilt „Don’t mention the war“, sollte man hier das Thema Fussball nicht von sich aus ansprechen und schon gar nicht darauf hinweisen, wie locker Jogis Jungs mal wieder irgendeine Qualifikation geschafft haben, während Othmars Schweizer Nati-Truppe out ist. Vorsicht: „Nati“ spricht man „Natzi“ aus. Das hat nichts mit Rechtsradikalen zu tun. „Nati“ ist die Abkürzung für Nationalmannschaft. Wenn Fussball, dann so lichte Momente wie der Sieg der Schweizer über die Spanier bei der WM 2010 – aber keinesfalls die unglaubliche Serie verserbelter Torschüsse beim Elfmeterschiessen an der WM 2006. Ausserdem sollten Sie sich darauf gefasst machen, dass man hier eher froh ist, wenn Deutschland verliert. Contenance bewahren und sich ansonsten Deutschlandspiele im Kreise von Personen mit ähnlichem Migrationshintergrund anschauen.

7. Zeigen Sie Anerkennung für die schöne Schweiz: die wunderbare Landschaft, das hohe Mass an Qualität, die gepflegten Umgangsformen, das Unaufgeregte im kommunikativen Miteinander. Wenn Sie sich richtig unbeliebt machen wollen und alle Klischees bedienen möchten, fangen Sie hingegen an zu loben, was in Deutschland alles toll ist.

8. Seien Sie nicht so Ich-orientiert, indem Sie ständig über sich selbst sprechen und was Sie alles können und erreicht haben. Schweizer treten viel bescheidener auf. Eigenlob wirkt unsympathisch.

9. Zudem denkt man in der Schweiz viel weniger hierarchisch und verhält sich konsensorientierter. Das Betonen von irgendwelchen Titeln wirkt peinlich. Am Arbeitsplatz geht man viel leichter zum Du über als in Deutschland. Bei Teams braucht man nicht gleich einen „Bestimmer“, der sagt, wo es lang geht. Man verschwendet weniger Zeit auf Diskussionen, bei denen es darum geht, wer Recht hat und verzichtet auf plumpe persönliche Angriffe, wie man sie aus der deutschen Politik kennt.

Wenn Sie sich die Punkte anschauen, wird schnell klar, dass der Schweizer Kommunikationsstil der sympathischere und vor allem konsensorientiertere ist. Allerdings sind damit auch ein paar Nachteile verbunden. Vertreterinnen und Vertreter der leisen Töne werden öfter überhört. Man verzichtet um des lieben Friedens willen darauf, seine Meinung und seine Bedürfnisse klar zu artikulieren – und ärgert sich im Nachhinein doch darüber, dass man sich nicht durchgesetzt hat. Ein Witz demonstriert dies:

Ein Deutscher und ein Schweizer sitzen vor einer Platte mit zwei Steaks. Der Deutsche nimmt sich das grössere Stück Fleisch.
Der Schweizer daraufhin: „Das ist aber unanständig, sich als Erster zu bedienen und das grössere Stück zu nehmen.“
Der Deutsche: „Welches hätten Sie denn genommen?“
Der Schweizer: „Das Kleinere.“
Der Deutsche: „Na, dann haben Sie doch genau das, was Sie wollten.“

Als Papierli-Schweizerin mit westfälischem Migrationshintergrund deshalb mein Tipp:
Passen Sie sich als Deutsche/r den Schweizer Gepflogenheiten an. Und achten Sie als Schweizer/in darauf, nicht überhört zu werden. Nehmen Sie sich den Platz, der Ihnen zusteht. Sonst nehmen ihn sich andere. Es nützt nichts, sich dann im Nachhinein darüber zu beklagen. Dafür muss man auch mal in Kauf nehmen, als arrogant und dominant zu gelten.

In diesem Sinne - Mut zur Arroganz und Spass an den leisen Tönen im November wünscht Ihre
Gunhild Hinkelmann




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