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    Hauptsache billig! – vom Apfel der Erkenntnis
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Kaum schlägt man die Zeitung auf, springen einem die „Hammerpreise“, „Preisbrecher“ und „Megaschnäppchen“ der grossen Discounter und Ketten ins Auge, vornehmlich deutscher Provenienz. Das Internet macht es uns zudem leicht, Preise zu vergleichen und das beste Angebot zu finden. Aber bekommen wir für das beste Angebot wirklich „das Beste“?

„Beiss nicht gleich in jeden Apfel, er könnte sauer sein. Denn auf rote Apfelbäckchen, fällt man leicht herein“, sang Wencke Myhre in einem Schlager 1966. Seit ich an einem 10-km-Lauf mal herzhaft in einen von charmanten Helfern am Ziel verteilten Apfel biss und mich eine Viertelstunde später mit wahnwitzig geschwollenem Gesicht und gelblich verfärbten Augen bei der Sanität wiederfand, die mir dann sogleich eine ordentliche Portion Cortison intravenös verpasste, habe ich sowieso ein gespaltenes Verhältnis zu Äpfeln. Natürlich war es sehr unvernünftig von mir, einen ungewaschenen und sicherlich gespritzten Apfel nach einer solchen Anstrengung zu essen. Aber offensichtlich assen viele andere Läufer/innen die Äpfel ohne irgendwelche Reaktionen dieser Art. Doch ist mir dieses Schneewittchenerlebnis der anderen Art so eingefahren, dass ich erst einmal mindestens ein Jahr Apfel-abstinent gelebt habe, obwohl ich sehr gerne Äpfel esse. Inzwischen tue ich es auch wieder, aber nie ungewaschen und nur ungespritzt, d.h. bio.

Und tatsächlich war es unlängst ein Apfel, der mir zu einem gewissen Erkenntnisgewinn verhalf. Anlässlich meines Aufenthalts in einem wunderschönen Bio-Hotel namens "Theiner's Garten" in Südtirol nahm ich an einem Rundgang durch die hauseigenen Obstplantagen teil. Unter der fachkundigen Leitung des Hoteldirektors Walter Theiner erfuhr ich, wie viel Handarbeit im Apfelanbau steckt. Wie mit profundem Know-how und ohne Chemie im Boden ein optimales Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen gehalten wird. Dass der Boden dadurch locker ist und man so auf Düngen verzichten kann, während die Böden im konventionellen Anbau der Nachbargrundstücke hart und trocken sind, immer mehr Dünger benötigen und so ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird. Ich war auch beeindruckt vom Enthusiasmus und dem Verantwortungsgefühl, mit dem diese Plantage von ihren Besitzern gepflegt wird. Spürbar wird der enge Bezug der Erzeuger mit dem Produkt, das sie herstellen.

Seitdem geniesse ich meine Äpfel viel bewusster. Ein Bio-Apfel kostet bei uns in der Schweiz ca. einen Franken. Bio-Obst sei teuer, heisst es immer wieder. Und für viele Menschen unbezahlbar. Dieselben Leute, die einen Franken für einen Apfel teuer finden, haben aber keine Mühe damit, einen Franken dafür zu bezahlen, dass sie ihr Auto 30 Minuten parken können. Ist also einen Franken für einen Apfel teuer? Nein, wenn ich bedenke, wie viel Arbeit dort drin steckt und wie der Bio-Anbau zudem Sorge trägt, dass unsere Umwelt sauber bleibt. Mag sein, dass man bei irgendeinem Billigladen auch zwei Äpfel für einen Franken bekommt. Aber wie wurden diese Äpfel produziert? Wie viele Pestizid- und Hormoncocktails sind über sie hernieder gegangen? Wie wurden die Menschen, die sie geerntet haben, dafür bezahlt? Welche Beziehung haben sie zu dem Produkt, das sie ernten?

In der Lebensmittelbranche herrscht ein starker Verdrängungs-Wettbewerb. „Hauptsache billig“ ist die Devise. Der Preis zählt. Die Produzenten werden immer stärker unter Druck gesetzt und müssen immer mehr Konzessionen machen, damit sie weiterhin die grossen Discounter beliefern dürfen. Dies erfuhr ich abends an der Bar im Gespräch mit anderen Gästen. Unter ihnen ein ehemaliger Manager, der lange als Einkäufer für verschiedene Ketten in Deutschland gearbeitet hatte. Und dann selbst diese Preisdrückerei nicht mehr ertrug und ausstieg. Sein Schlüsselerlebnis, erzählte der Ex-Manager, sei ein Verhandlungsgespräch mit einem Produzenten gewesen, der ganz offensichtlich immer weiter unter die Grenze dessen rutschte, was ihm selbst noch eine rentable Produktion erlaubte. Er habe diesem Mann angesehen, wie er bei dieser Verhandlung litt. Und doch gelte es als Erfolgsbeweis für einen guten Manager, wenn man es geschafft habe, den Preis noch ein bisschen zu drücken. Der vielbeschworene Win-Win-Faktor bei Verhandlungsgesprächen scheint dort keine Rolle zu spielen. So wie Disbalancen in der Natur negative Folgen haben, so ist dies auch in der Kommunikation der Fall. Wenn es Gewinner und Verlierer gibt, stimmt die Balance nicht mehr. Und die Verlierer werden anderweitig nach Gewinn trachten. Kein Wunder, wenn dann immer öfter Sachen völlig aus dem Ruder laufen und es zu Lebensmittelskandalen kommt. Natürlich ist es weder die Schuld der „bösen Manager“ noch die der ach so skrupellosen Produzenten, die ums Überleben kämpfen. Das System an sich ist krank. Doch als Verbraucherinnen und Verbraucher haben wir es selbst in der Hand, fair produzierte Lebensmittel zu verlangen und den Sirenengesang von Billig-Discountern zu überhören, die uns mit ihren Schnäppchen in die Läden locken wollen. Billig allein kann doch kein Kriterium sein. Wenn man vier Putenschnitzel für 2.99 Euro bekommt, wie müssen die Puten dann gelebt haben? Wenn man da überhaupt von Leben sprechen kann, vermutlich war es mehr Leiden.

Mein Tipp:
1. Kommunikation lebt vom Austausch und von der Balance zwischen den Kommunikationspartnern. Wenn nur eine Seite ihre Bedürfnisse verwirklichen kann und dies auf Kosten der anderen Seite geschieht, werden Gewinner und Verlierer produziert. Bei einer Verhandlung zu gewinnen, kann leicht zu einem Pyrrhussieg werden. Irgendwann wird der Verlierer sich in irgendeiner Form rächen, wenn er keine andere Möglichkeit sieht, seine Interessen und Bedürfnisse zu verwirklichen.

2. Achten Sie beim Einkaufen auf Qualität und hinterfragen Sie den Preis. Fragen Sie nach, wie Lebensmittel produziert wurden. Setzen Sie auf Genuss statt auf Menge. Statt "Hauptsache billig" lieber "Weil ich es mir wert bin". Lieber weniger, aber dafür Produkte, die die Bezeichnung "Lebens-Mittel" zurecht tragen. Weniger, aber besser - das ist auch besser für die Figur. Und gerade jetzt im Sommer wollen wir die doch zeigen!





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