Sitemap  
    April, April – grenzwertige Fragen
Willkommen
Archiv / Tipps
Porträt
Rhetorik
Gewinnende Kommunikation
Moderne Umgangsformen
Coaching
Kontakt

 
 
Nicht nur Aprilscherze können grenzwertig sein, auch Grenzwerte an sich. Grenzwert – das ist das Schlagwort der Stunde. Zum Beispiel, wenn es um die Frage der radioaktiven Belastung bei Lebensmitteln aus Japan geht. Und das Jonglieren mit Grenzwerten erscheint oft grenzwertig.

Dinge erscheinen wahrer, wenn sie oft und von vielen Personen wiederholt werden. Seit Jahren hören wir, dass AKWs sicher sind. Im Prinzip jedenfalls, es bleibe halt ein Restrisiko. Wie ein solches Restrisiko aussieht, das wissen wir seit Tschernobyl und Fukushima. Und genauso, wie vorher alle Politschaffenden, Expertinnen und Experten so überzeugt von der Sicherheit der AKWs waren, beeilten sie sich nach Fukushima, auf die Gefahren hinzuweisen und über Ausstiegsszenarien und Alternativenergien nachzudenken. Nicht ohne der Öffentlichkeit damit zu drohen, dass dann aber alles viel teurer käme und es Probleme mit der Energie-Versorgung gäbe. Grenzwertig. Wem kann man noch trauen?

Bundesrätin Doris Leuthard tat kund, es sei leichtsinnig, den Ausstieg aus der Atomenergie zu verlangen. Mit Verlaub, Frau Bundesrätin: Wie leichtsinnig ist es in Kauf zu nehmen, dass bei Unfällen radioaktive Materialien mit einer Halbwertszeit von 24.000 Jahren freigesetzt werden? Die statistische Wahrscheinlichkeit solcher Unfälle ist zwar gering, in Tat und Wahrheit foutieren sie sich aber um die Statistik und treten alle 25 Jahre auf. Und auch wenn der nächste Unfall erst in 30 Jahren kommt. Wohin mit dem ganzen strahlenden Atommüll?

Nehmen wir doch mal an, es kommt zum Ausstieg aus der Atomenergie. Der Strom würde teurer und knapper. Dann müssten wir uns einschränken und könnten vielleicht nicht mehr so viele Haushaltsgeräte haben. Wäre es wirklich schon schlimm? Statt des ganzen Geräteparks hätten wir etwas mehr Platz in der Küche, würden den Teig selbst kneten, die Sahne mit einem Handrührer schlagen. Früher kam man schliesslich auch ohne Küchenmaschine aus. Und in weiten Teilen der Welt heute noch.

Wir könnten nicht mehr permanent telefonieren. Dann bräuchten wir uns aber auch im Zug nicht mehr darüber aufregen, dass wir zwangsweise idiotische Unterhaltungen mitanhören müssen, die andere Leute in ihr Handy brüllen. Dafür könnten wir dann wieder mehr die direkte Kommunikation pflegen. Mit unseren Mitmenschen sprechen, uns in der Familie unterhalten, statt dass jeder zuhause in sein iPhone, in seinen Computer oder in seinen Fernseher stiert.

Statt dass alle mit dem Auto von A nach B fahren, könnte man sich organisieren und nur ein Drittel oder ein Viertel fährt von A nach B, weil alle jemanden mitnehmen. Dabei würde man noch nette Menschen kennen lernen.

Auf den Plastikschrott, den wir als Give-aways beim Lebensmitteldiscounter angedreht bekommen, könnten wir auch prima verzichten.

Wenn das Licht ab und zu mal ausgehen sollte, zündete man eine Kerze an. Sehr romantisch.
Die Vorstellung, sich beim Energiekonsum einzuschränken, kann man also entkatastrophieren. Die atomare Katastrophe eines GAUs jedoch nicht.

Zudem gibt es Vorbilder. Nicht nur Otto Pohl lebt am Nordpol ohne Atomstrom, wie Loriots legendärer Hund sagt. Auch unsere österreichischen Nachbarn kommen komplett ohne Atomstrom aus. Und leben wohl kaum schlechter als wir.

Das Stichwort Grenzwerte verfolgt uns nicht nur beim Thema Radioaktivität, sondern in allen Bereichen unseres hoch technisierten Lebens: Dioxion-Grenzwerte bei Eiern und Milch, Bisphenol-A-Grenzwerte bei Weichmachern in Kunststoff, Pestizid- und Fungizid-Grenzwerte bei Obst und Gemüse. „Alles im grünen Bereich“, sagen die Experten. Wenn man aber den Dokumentarfilm „Unser täglich Gift“ von Marie Monique Robin, ausgestrahlt unlängst auf ARTE, geschaut hat, dann weiss man auch, wie solche Grenzwerte festgelegt werden. Sehr viele Mäuse müssen dafür sterben, dass wir uns in einer pseudowissenschaftlichen Sicherheit wiegen können. Sehr grenzwertig. Wer den Film nicht gesehen hat, kann es nachholen: http://www.arte.tv/de/Die-Welt-verstehen/Unser-taeglich-Gift/3673748.html

Mein kommunikativer Tipp für den April: Stellen Sie mehr offene W-Fragen. Zum Beispiel statt „Sind Schweizer AKWs sicher?“ besser „Wie sicher genau sind Schweizer AKWs?“ Worauf beruhen diese Aussagen zur Sicherheit? Wie kann man das beweisen? Woher haben Sie die Informationen? Wer hat diese Studie durchgeführt? Wer hat sie finanziert?

Lassen Sie sich nicht von Leuten, die Ihnen wissenschaftlich abgesicherte Grenzwerte verkaufen wollen, in den April schicken. Grenzwerte sind grenzwertig. Wissenschaftler/innen sind Menschen. Und jeder Mensch konstruiert seine persönliche Wirklichkeit, die geprägt ist von seinen individuellen Wertvorstellungen, von seiner Sozialisation und seiner Kultur. Vertrauen Sie also lieber Ihrem gesunden Menschenverstand – und natürlichen Produkten, die ohne eine lange Liste an Zusatzstoffen auskommen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen grenzenlos angenehmen April

Gunhild Hinkelmann




Zurück