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"Kann ich bitte zahlen?" - "Gerne!"
"Der Rotwein schmeckt nach Korken. Bitte überprüfen Sie das doch." - "Gerne!"
"Ich hätte das Steak lieber ohne Kartoffeln, dafür mit mehr Gemüse, jedoch keine Karotten und Bohnen und keine Sahnesosse." - "Gerne!"
Gerne! So flötet und schallt es überall in Deutschlands Gastgewerbe. Von wegen Servicewüste. Aber erfüllt der fast schon inflationäre Gebrauch des Zauberwortes "gerne" wirklich noch seinen Zweck?


"Gerne" - eigentlich ein sehr schönes Wort. Es signalisiert dem Kommunikationspartner, dass man sich besonders um die Erfüllung seiner Wünsche bemüht. Dass einem der/die andere wichtig ist. Man stellt eine positive Beziehungsebene her. Dienstleistungen zu erbringen, ist keine lästige Pflicht, sondern bereitet dem Dienstleistenden sogar Vergnügen. Bloss passt das "gerne" nicht immer bzw. schiesst ein bisschen übers Ziel hinaus, z.B. wenn man den Wunsch zum Zahlen äussert und die Servicefachkraft diesen mit "gerne" erwidert und damit signalisiert, dass sie froh ist, dass man zahlt und geht. Hier wäre doch ein "Selbstverständlich. Ich bringe Ihnen gleich die Rechnung" angebrachter. Wenn alles fast mechanisch erstmal mit "gerne" kommentiert wird, dann mutiert auch das schönste Wort zur Floskel. Und Floskeln machen die Kommunikation wiederum statisch und weniger persönlich, weniger individuell.

Da gilt fast der dumme Spruch, mit dem uns früher die Lehrer genervt haben: "Im ganzen Satz, bitte." Statt des formelhaften "Sehr erfreut" wirkt ein "Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen, Frau Sternberg" ungleich persönlicher - und es dauert auch nur eine Sekunde länger.

Überhaupt sollte man sich vor übertriebener Euphorie hüten, denn das wirkt unglaubwürdig und unauthentisch. Wenn mir z.B. eine euphorische Stimme am Telefon ins Ohr flötet "Supertoll, dass ich Sie persönlich antreffe, Frau (äh …) Hinkelmann", dann weiss ich sofort, dass der Sender der Botschaft mir irgendeine unnötige Versicherung, Diätpillen oder Computerkurse für Senioren andrehen will.

Übertriebener Singsang in der Stimme erinnert an etwas Standardisiertes, das abgelesen wird wie die Durchsagen der Flight Attendants. Apropos Durchsagen: Man muss ja auch nicht alles kommentieren und könnte das stille Örtchen einfach als ein solches belassen. Doch auch auf den Toilettenanlagen deutscher Autobahnraststätten wird man inzwischen beschallt: "Herzlich willkommen bei Sanifair. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und freuen uns, Sie bald wieder zu begrüssen."

Der Ton macht bekanntlich die Musik - und es ist gar nicht so leicht, immer den richtigen zu treffen. Denn nicht jede Stilebene, jedes Register, eignet sich für jede beliebige Situation. In der Schweiz fragt die Servicefachkraft nach dem Essen: "Isches rächt gsi?" Das ist ziemlich tief gestapelt und wird dem genussorientierten Rahmen eines schönen Lokals nicht gerecht. Genauso unpassend in einem stilvollen Restaurant ist das in Deutschland verbreitete "Hat es geschmeckt?" Es wirkt zu profan und fast zu persönlich bzw. familiär. Dagegen klingt die ebenfalls zu hörende Variante "Hat es gemundet?" wiederum viel zu aufgesetzt und altmodisch steif. Wie wäre es mit: "War alles zu Ihrer Zufriedenheit?", "Entsprach das Menü Ihren Vorstellungen?" oder "Haben wir Ihren Geschmack getroffen?" Das lässt Raum für Feedback offen.

Auch wenn die Serviceangestellte in einem stilvollen Restaurant mit französischer Ausrichtung bei der Bestellung des Gastes die auf der Karte ausgewiesenen "handgeschnittenen Pommes Frites" mit (deutsch ausgesprochen) "Einmal Pommes" quittiert, dann passt das nicht vom Register. Schliesslich befindet man sich ja nicht in einer Frittenbude und bestellt Pommes rot-weiss.

Manchmal dienen Floskeln dazu, die Illusion eines Dialogs zu erzeugen, wo eigentlich Einweg-Kommunikation herrscht, z.B. in den Medien. So verabschiedet sich eine Schweizer Nachrichtensprecherin gerne mit: "Schön, wenn Sie auch morgen wieder einschalten. Ich freue mich auf Sie." Naja.

Fazit: Weniger Floskeln, mehr echte Kommunikation. Das erreicht man vor allem dadurch, indem man sich auf den Kommunikationspartner einstellt, ihn wahrnimmt, ihm Fragen stellt und ihm zuhört.




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