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    Achtung Konter! K.O. oder OK?
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Auf dem grünen Rasen und beim Publikum gehen die Emotionen hoch. Beim Fussball kann man Emotionen ausleben. In alltäglichen Kommunikationssituationen dagegen schlagen die emotionalen Wellen manchmal höher als einem lieb ist, besonders wenn man angriffen wird oder sich angegriffen fühlt. Wie wehrt man verbale Angriffe ab?

Bei der WM sind wir in der K.O.-Runde angekommen: Es muss einen Gewinner und einen Verlierer geben. Im Gegensatz dazu sind Gewinner - Verlierer - Konstellationen bei der Kommunikation oft eine schlechte Ausgangslage. Wenn ich dem/der anderen das Gefühl gebe, dass er/sie K.O. ist und verloren hat, geht der Punkt zwar auf mein Konto. Trotzdem habe ich vermutlich nur einen Pyrrhussieg errungen, denn der Besiegte wird danach trachten, seine Integrität wieder herzustellen und mir bei nächster Gelegenheit ein Bein zu stellen. Unter Umständen sogar, ohne dass ich es merke.

Wie gehe ich nun konkret mit einem verbalen Angriff um? Nicht immer ist es sinnvoll und möglich, einen Angriff sofort in einen Konter umzuwandeln. Manchmal reicht es erstmal, den Angriff abzuwehren und den Ball aus dem Strafraum zu bekommen. Manchmal kann man den Ball auch entspannt ins Aus gehen lassen. Und manchmal darf es ruhig ein fair gespielter Konter sein, der unter Umständen den Angreifer sogar zum Eigentor verleitet.


Kategorie 1: Weg mit der Pille!

Angriff: "Sie haben ja keine Ahnung von Technik."
Reaktion: "Lieber ahnungslos und locker als Technik fixiert und verbissen."


Das "Lieber-so + positive Eigenschaft-als-so + negative Eigenschaft-Schema" ist nicht sonderlich raffiniert, hilft Ihnen aber dabei, möglichst schnell zu reagieren. Setzen Sie sich bei Angriffen nicht zusätzlich damit unter Druck, dass die Erwiderung vor allem geistreich sein muss. Dann wird Ihnen erst im Nachhinein, wenn Sie wieder entspannt sind und klar denken können, ein guter Spruch einfallen. Bei der Schlagfertigkeit kommt es auch auf die Schnelligkeit an. Und ein augenzwinkerndes Lächeln entspannt die Situation.

Kategorie 2: Den Ball ins Aus gehen lassen

Manche Kommentare sind so blöd, dass sie nicht der Mühe wert sind, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Man würde dem Angreifer damit nur unnötige Aufmerksamkeit schenken, die er ja offensichtlich will. In solchen Fällen ist die beste Reaktion (scheinbar) gar keine, d.h. die Bemerkung einfach "gezielt" überhören und cool bleiben.


Kategorie 3: gezielter Konter

Angriff: "So können Sie das nicht sehen. Das ist total einseitig."
Reaktion: "In der Tat sehe ich das aus einer Perspektive, nämlich meiner. Ich nehme gern zur Kenntnis, dass Ihre Sicht anders ist. Was genau ist denn aus Ihrer Sicht noch wichtig?"

Stehen Sie also souverän zu Ihrer Meinung und lassen Sie sich nicht durch negative Etikettierungen verunsichern. Wenn Sie durchschauen, wie der/die andere Ihnen ein Negativ-Etikett unterjubeln will, wie hier einseitig = schlecht, dann wandeln Sie dies in etwas Positives um: einseitig = logisch, nämlich meine Sicht.

Kontern im Alltag

Neulich nach dem Spiel Deutschland : England sitzen mein Mann und ich im Hotelrestaurant, neben uns am Tisch ein älteres Paar. Sie sprechen Hochdeutsch, also vermutlich Deutsche. Wir schwelgen noch in der Begeisterung vom Spiel. Der Herr am Nebentisch erhebt sich gerade und macht Anstalten zu gehen, denn gleich beginnt das Spiel Mexiko : Argentinien. Ich: "War ein tolles Spiel, gell?" Der ältere Herr tritt an unseren Tisch und überschüttet uns mit einem Redeschwall, bei dem ich meine, einen leicht holländischen Akzent rauszuhören. Wortreich erklärt er, warum die Deutschen wieder mal nur mit Glück gewonnen haben und wie alles anders geworden wäre, wenn das zweite englische Tor gezählt hätte. Statt auf seine Ausführungen einzugehen, frage ich: "Sind Sie Holländer?"
Der Herr, leicht verdutzt: "Ja, wieso?"
Ich: "Alles klar."
Der Herr: "Ich muss jetzt Fussballschauen gehen. Ich will wissen, gegen wen die Deutschen das nächste Mal verlieren."
Ich: "Genau, wir gehen auch gleich. Wie Sie richtig gesagt haben, spielt beim Fussball immer auch das Glück eine Rolle. Schaunmermal, wem das Glück im Viertelfinale hold ist."

Ganz schön sind Angriffe, die man zu einem Eigentor umwandeln respektive schlussendlich ins Aus gehen lassen kann. Dazu folgendes Erlebnis als Illustration:

Samstags im Einkaufszentrum, ich packe gerade die prall gefüllten Taschen ins Auto, während mein Mann noch schnell etwas im Baumarkt kauft. Neben mir ist gerade ein italienisches Paar damit beschäftigt, ein Kleinkind aus dem Kindersitz zu hieven. Die Seitentür hinten ist also geöffnet, der Mann steht auf der Seite unseres Autos. Ich begreife, dass dies eine für Eltern nicht ganz stressfreie Situation ist. Obwohl der gute Mann wirklich Platz genug hat, die Tür zu öffnen, schnauzt er mich an: "Sie haben Ihr Auto schlecht parkiert, es steht schräg. Typisch Frau, Frauen können nicht einparken." In der Tat steht unser Auto, genauer gesagt das Auto meines Mannes, nicht 100% parallel zur Trennlinie, sondern nur zu 95%, aber auf jeden Fall in grosszügigem Abstand zum Auto nebenan. Ich frage mich aber, warum der Mann das Kind nicht von der anderen Seite herausnimmt, denn dort steht kein Auto. Wahrheitsgemäss und gelassen bemerke ich: "Sie haben ja genug Platz, um die Tür zu öffnen. Im Übrigen hat mein Mann das Auto parkiert."
"Noch schlimmer!" erwidert der Italiener.
Nun wird mir klar, dass es sinnlos wäre, die Wirklichkeitskonstruktion dieses Mannes und vor allem sein Frauenbild innert nützlicher Frist zu ändern. Zudem sind mir sowohl der Mann als auch sein Weltbild völlig egal, deshalb spare ich mir die Mühe und antworte lächelnd: "Ich überlasse Ihnen gern das letzte Wort, damit Sie sich besser fühlen."
Bingo!




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