Sitemap  
    La vie en rose - Die Macht der Vorstellung
Willkommen
Archiv / Tipps
Porträt
Rhetorik
Gewinnende Kommunikation
Moderne Umgangsformen
Coaching
Kontakt

 
 
Der Wonnemonat verspricht Wonne - und die wollen wir, koste es, was es wolle. Aber bekommen wir sie auch wirklich? Tut nichts zur Sache, wir sind überzeugt, dass dieser spezielle Frühlingsmonat schön sein muss. Da kann es regnen und wieder winterlich kühl werden, wir müssen uns ganz einfach frühlingshaft, energiegeladen und glücklich fühlen, das sagt doch schon der Ausdruck "Wonnemonat". Und wenn wir fest davon überzeugt sind, dass der Mai Wohlgefühl und neues Leben garantiert, dann wird das auch so sein.

So geht es uns oft. Mit einer festen Idee im Kopf - meist ist dies ein positives Bild - gehen wir zum Beispiel in die Ferien. Wir haben uns in Prospekten Bilder angesehen und aufgrund von Beschreibungen anderer innere Bilder gemacht von unserem Ferienort und wollen diese Bilder und die damit verbundenen Gefühle um jeden Preis dort finden. Wir landen am Zielort, nehmen unsere Koffer vom Gepäckband im Flughafen, steigen in ein Taxi und lassen uns zu unserem Ferienparadies chauffieren. Wir fahren vorbei an hässlichen Industriegebieten, werfen einen Blick auf Armensiedlungen, sehen den Dreck und den Abfall, in dem die Bewohner unseres Ferienortes leben.
All dies nehmen wir aber nicht wirklich wahr und haben es längst vergessen, wenn wir in unserem Hotel in einer luxuriösen und üppig begrünten Anlage vorfahren und wie Könige begrüsst werden. So haben wir uns das vorgestellt und alles, was diese Idealvorstellung stört, wird einfach ausgeblendet. Das geht weiter, wenn wir unser Zimmer betreten, das wir schon von Fotos im Internet und aus den Beschreibungen bei Holidaycheck kennen. Zwar muffelt es ein wenig (vielleicht doch kein Nichtraucherzimmer, wie versprochen?), die Toilettenspülung lässt etwas zu wünschen übrig, aber das ist wahrscheinlich in Asien einfach anders als bei uns. Auf den Bettlaken ist ein ganz kleiner Fleck, aber nur wenn man ganz genau hinschaut. Das hätte man nach so viel Perfektion beim Empfang in einem 5*-Hotel nicht erwartet, aber wir wollen doch nicht kleinlich sein. Die Kellnerin bringt statt des bestellten Vollkornbrots einen Haferbrei zum Frühstück und vergisst den Kaffee ganz. Sie versteht halt nicht so gut Englisch oder ist noch in der Ausbildung. Kann das unsere Hochstimmung trüben? Keinesfalls, wir blenden all dies einfach aus und nehmen nur noch das zur Kenntnis, was in unser Bild passt. Die kurz aufkommende Enttäuschung darüber, dass unsere Bedürfnisse und Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden, wischen wir weg, denn eine Reklamation würde schlechte Gefühle bewirken, zu einer Auseinandersetzung führen und unsere Ferienstimmung trüben. Oder wir leben nach den weit verbreiteten Mottos von Schweizer Touristen "Man reklamiert nicht." bzw. "Man findet immer etwas Gutes." Punkt.

Dazu eine Anekdote aus unserem eigenen Erfahrungsschatz - erst kürzlich erlebt. Wir genossen nach drei Tagen Bangkok eine herrliche Zeit auf der thailändischen Ferieninsel Koh Samui - in einem Resort, in dem nun wirklich alles so war, wie im Prospekt, sogar noch besser. Also waren wir in der entsprechenden Ferienhochstimmung und erwarteten überall und immer noch mehr Höhepunkte, immer weitere tolle Entdeckungen.

Im Internet waren wir per Zufall bei tripadvisor.de auf die begeisterten Berichte von Touristen gestossen, die eine deutsche Bäckerei unweit unseres Hotels besucht hatten. Auch in einem Zeitungsartikel wurde diese "German Bakery" überschwänglich gelobt. Es gebe dort die inselbesten Panini. Trotz des fantastischen Essens aus der thailändischen Cuisine überkam uns nach ein paar Tagen die Lust auf ein feines Stück deutschen Kuchen, denn in den Beschreibungen (siehe Beispiel unten) tönte das vielversprechend und so machten wir uns bei brütender Mittagshitze auf den Weg zu "Sabines Bäckerei" (Name geändert).

"Für all die deutschsprachigen Expats, die seit längerem nicht mehr zu Hause in Deutschland waren, in der Schweiz oder in Österreich, ist ein Besuch bei "Sabines Bäckerei" ein MUSS. Wer kennt das von euch nicht? Diejenigen, die seit längerem nicht mehr in der Heimat waren, sehnen sich des Öfteren Mal nach einem deutschen Frühstück. Falls ihr euch für einen kurzen Samui-Trip entscheiden solltet und das thailändische Essen SATT seid, könnt ihr zu Sabine fahren. Die Gute ist eine ausgebildete Köchin und hat neben einem reichhaltigen, deutschen Frühstück mit richtigen Brötchen und leckerem Kaffee, Aufstrich und Wurst auch jede Menge Pasta, Salate und andere Leckereien auf der Speisekarte. Mein Geheimtipp an euch: Sabine backt auch ganz leckere Weihnachtsplätzchen!"

Das Bild einer kleinen, aber feinen Bäckerei nach deutscher Art mit Körben voller köstlicher Brötchen in der üblichen Vielfalt, alle frisch gebacken, hatte sich zusammen mit dem entsprechenden Duft fest in unsere Vorstellung eingeprägt. Dahinter würde Sabine, eine freundliche Deutsche stehen, die stolz auf die frischen Sandwiches und Kuchenstücke hinweist und uns in einem freundlichen Gespräch weitere Insider-Tipps über die Insel gibt.
Als wir das nett gestaltete Schild von Sabines Bäckerei sahen, schien alles so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Kaum waren wir aber in die kleine Kneipe (nicht Bäckerei) eingetreten, fiel das ganze Bild in sich zusammen. Alles war etwas schmierig, der Tresen mit den duftenden Brotkörben stellte sich als ein Kühlregal mit Glastüre heraus, in dem Esswaren wahllos herumlagen, alles in Plastikfolie eingepackt - Kuchenstücke, Reste von Wurst und Käse, etc. Nicht gerade "anmächelig". Die knusprigen Brötchen entpuppten sich als ältere Semmeln, die in Plastiktüten "frisch" gehalten wurden und eher wie Produkte aus industrieller Produktion aussahen. Immerhin gab es eine Tafel mit Angeboten wie Mozzarella mit Tomaten, Ravioli und Bayrischem Wurstsalat.

Sabine selbst - eine überaus pummelige Mitfünfzigerin - erschien nach einiger Zeit ziemlich gestresst und wies uns an, Platz zu nehmen, weil sie im Moment voll beschäftigt sei. Sie musste einem britischen Kunden Sandwiches zubereiten und das schien sie an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen. Ausserdem warteten noch zwei junge Niederländerinnen auf ihr Frühstück. Nun kamen auch noch wir und wollten was! "Den ganzen Morgen war nichts los, jetzt kommen alle auf einmal", lamentierte Sabine. In den Ohren puhlend und sich unverhohlen am Hintern kratzend, verschwand sie in der Küche (?) und erschien ab und zu, um Zutaten aus dem wirren Kühlregal zu holen.

Nun, wir waren in den Ferien und so leicht konnte uns nichts von unserer positiven Ferienstimmung abbringen. Schliesslich erwarteten wir immer noch das deutsche Kuchenwunder - auch wenn es gar nicht mehr danach aussah bzw. roch.
Als Sabine uns in zackigem Ton nach unseren Wünschen fragte, schickte sie gleich voraus, dass die Panini aus seien. Meinen Wunsch nach einem Mozzarella-Sandwich quittierte sie mit Augenrollen. Sie habe nur Gouda und Cheddar. Wir durften einen Blick auf die Kuchenstücke werfen, die in klebrige Folie verpackt waren. Am besten sah noch eine Art Schokoladenmuffin aus. Den könne sie mir (Betonung auf mir) nicht verkaufen, raunte Sabine in leicht konspirativem Tonfall. Wir entschieden uns dann für einen unverdächtigen Apfel-Kokos-Kuchen, der offensichtlich auch schon eine Zeitlang sein Dasein in Sabines Kühlvitrine fristete. Gute Miene zum bösen Spiel machend, bestellten wir dann noch ein paar Sandwiches zum Mitnehmen ("Vollkorn ist aus") - immer noch in der Hoffnung, dass Sabine die wirklich leckeren Sachen hinten in der Küche verborgen hätte. Die geneigte Leserschaft kann sich vorstellen, was dabei herauskam. Ohne auf die Details einzugehen, müssen wir unumwunden zugeben, dass wir nach dem ersten Bissen alles in den Müll warfen - es war einfach ungeniessbar - und uns stattdessen die täglich frisch bereit gestellten tropischen Früchte in unserer Garden Villa munden liessen.
Wir hatten immerhin so viel bei Sabine ausgegeben, wie man für ein einfaches (und sehr leckeres) Thai-Essen am Strand zahlen würde, aber wir zögerten keine Sekunde, um uns einzugestehen: Ein Wort mit X, das war wohl nix.

Nun mussten wir über uns selbst lachen. Wir hätten schon nach dem ersten Schritt in das Lokal von Sabine sehen können, dass das nichts wird. Da war nichts so, wie wir es uns nach der Beschreibung auf tripadvisor vorgestellt hatten. Wir hätten rechtsumkehrt machen und gehen sollen. Aber das Bild in unserer Vorstellung war stärker: Es konnte einfach nicht sein, dass wir nicht das vorfanden, was wir uns gewünscht hatten und was andere so erlebt hatten. Also machten wir einfach weiter, als wären wir in der tollen, fein duftenden Bäckerei in unseren Köpfen. Wir bestellten brav, was wir uns vorgenommen hatten, obwohl wir sahen, dass wir das nie und nimmer bekommen würden. Sabine musste doch eine Chance bekommen, unsere Erwartungen zu erfüllen. Darum zogen wir die Sache bis zum buchstäblich bitteren Ende durch.

Fazit: Mentale Bilder, starke Vorstellungen von dem, was wir uns wünschen und erreichen wollen, sind bekannterweise sehr hilfreich, wenn es um die Verwirklichung von Zielen geht. Sie treiben uns an, motivieren uns und helfen, uns nicht von kleinen "Bildstörungen" abbringen zu lassen. Umgekehrt tragen sie aber dazu bei, dass wir die Wirklichkeit einfach nicht sehen wollen und alles ausblenden, was nicht ins Bild passt. Bis wir dann in den sauren Apfel bzw. den durchgeweichten alten Apfelkuchen beissen, der uns unsanft weckt und uns die Realität gnadenlos vor Augen führt. Erst dann setzt die Ent-täuschung ein.

Können wir solche Erfahrungen vermeiden? Daran ist zu zweifeln, denn das würde bedeuten, dass wir den positiven Bildern keinen Raum mehr gewähren. Leben wir also mit dem Risiko, dass wir uns durch die eigenen Vorstellungen täuschen lassen - immer im Bewusstsein, dass auch der rationalste Mensch solches nicht vermeiden kann, wenn er der Macht der Fantasie traut.

Gleichzeitig sollten wir uns aber auch bewusst machen, dass Beschreibungen anderer Menschen, z.B. im Internet, jeweils auf deren persönlicher Wirklichkeitskonstruktion beruhen. Und dass wir uns durch die Lektüre dieser Beschreibungen gleichzeitig in unserer eigenen Wirklichkeitskonstruktion beeinflussen lassen bzw. selber wieder durch das Wiedergeben unserer subjektiven Erfahrungen andere beeinflussen. Diese Orientierung an der Wahrnehmung anderer führt dazu, dass wir der eigenen Wahrnehmung misstrauen. Nach dem Motto: Es kann ja nicht schlecht sein, wenn es alle gut finden - oder umgekehrt. Haben wir also den Mut, auf das eigene Bauchgefühl zu hören, den eigenen Augen und all unseren Sinnen zu trauen und Diskrepanzen zwischen inneren Bildern und Erwartungen und der konkreten Wirklichkeit wahrzunehmen und zu akzeptieren. Konkret: Wenn wir das nächste Mal in ein Hotel oder Restaurant gehen, über das wir schon Meinungen anderer gelesen haben und merken, dass wir es anders empfinden, stehen wir zu diesen Empfindungen. Der guten Sabine würden wir sagen, dass wir etwas anderes erwartet haben und den Laden gleich wieder verlassen.

Eine weitere Konsequenz ist, sich die Zeit, die man mit der Recherche von solchen Berichten verbringt, gleich zu sparen und unvoreingenommen eigene Erfahrungen macht und Neues erlebt.

Einen Tipp müssen wir aber noch loswerden: Sollten Sie demnächst mal eben nach Koh Samui düsen, dann gönnen Sie sich unbedingt ein Dinner im Restaurant "Orgasmic by Chef Wally" an der Bophut Beach Road zwischen Buddha Beach und Bophut. Die Adresse hatten wir aus dem Samui Dining Guide. Und was dort beschrieben war, das stimmte 100%. Man sitzt direkt am Strand, geniesst den spektakulären Sonnenuntergang bei einem Cocktail, den Service von feenartig dahinschwebenden Wesen und ein Essen, an das man sich noch lange erinnert.




Zurück