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    Ich bin sprachlos!
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(März 2010) Ein schönes geflügeltes Wort, das wir bei den Olympischen Spielen des Öfteren gehört haben. In höchstemotionalen Ausnahmemomenten, wenn die Sportlerinnen und Sportler vor Kamera oder Mikrofon versuchen sollen, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Kein Wunder, wenn man da mal sprachlos ist und nach Worten suchen muss.

1. "Ich bin sprachlos" als Ausdruck von Überraschung und Freude

Nach Sieg oder Niederlage werden die Akteure des olympischen Geschehens oft aufgefordert, der Weltöffentlichkeit "spontan2 ihre Gefühle mitzuteilen. Dass das in einem Moment, in dem man von starken Gefühlen überwältigt ist, nicht ganz leicht fällt, kann man gut nachvollziehen und nimmt den Athletinnen und Athleten die - in Worte gefasste - Sprachlosigkeit gerne ab.

"Es ist unglaublich, ich bin sprachlos", sagte das Schweizer Langlauf-Ass Dario Cologna nach dem Sieg in der 15-km-Distanz. "Ich dachte selber nicht, dass ich es heute schaffen würde. Umso glücklicher bin ich nun." Natürlich war Cologna von Anfang an ein Anwärter auf die Medaille.

Simon Ammanns zwei Goldmedaillen kamen auch nicht ganz überraschend und entsprechend euphorisch-souverän reagierte er in Interviews - vor allem im Vergleich zu seinem wirklich spontanen "vollgeil" nach der ersten Gold-Doppelpackung 2006. Erst das Angebot Ueli Maurers, im F/A-18-Jet über die Schweiz zu donnern, machte ihn (fast) sprachlos.

Nicht anders Maria Riesch. Sie meinte nach der zweiten Goldmedaille: "Mir fehlen die Worte." Aber es gab auch echte Überraschungen wie z. B. den Sieg zweier deutscher Langläuferinnen. Während die deutschen Athletinnen Evi Sachenbacher-Stehle und Claudia Nystad nach Gold im olympischen Teamsprint mit leicht überdrehter Stimme etwas von "geil" ins Mikrofon stammelten, kommentierte ihr Trainer Jochen Behle: "Sensationell! Das war super. Ich bin sprachlos. Beide waren absolut am Limit und haben sich das verdient".

Nicht nur bei Olympia, auch bei der Oscar-Verleihung fiel das "Ich bin sprachlos" schon. Allerdings ist das nicht immer wörtlich gemeint. Nachdem Kevin Spacey seine Dankesrede mit ebendiesen Worten eingeleitet hatte, folgten dann noch 261, wie das Magazin Forbes einmal exakt ermittelt hat.

2. "Ich bin sprachlos" als Ausdruck von Trauer

Auch ganz andere starke Gefühle wie Trauer kann man mit dem geflügelten Wort kommentieren. Mit tränenerstickter Stimme sagte IOC-Präsident Jacques Rogge nach dem tragischen Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili: "Jetzt ist es Zeit zu trauern. Ich bin sprachlos. Ein junger Athlet hat sein Leben verloren, weil er seiner Leidenschaft nachging."

Am 27.1.10 gab es eine Pressekonferenz nach dem Suizid des Kommandanten der Kantonspolizei Markus Reinhardt. Regierungsrätin Barbara Janom Steiner, die Vorgesetzte von Reinhardt, begann ihr Statement mit den Worten: "Wir sind sprachlos".

3. "Ich bin sprachlos" - im wahrsten Sinne des Wortes

Manchmal ist man aber auch einfach vom unbeschreiblichen Verhalten seiner Mitmenschen so irritiert, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes die Worte fehlen. Wer so perplex ist, kann sich mit „Ich bin sprachlos!“ Luft und Zeit zum Nachdenken verschaffen, ohne den anderen direkt anzugreifen. Natürlich kommt es dabei noch auf den Tonfall an. Insofern kann der Ausspruch durchaus die schlagfertige und souveräne Reaktion auf ein dreistes oder unfaires Verhalten anderer sein. Eine Kursteilnehmerin schrieb mir neulich, dass manche Äusserungen sie immer noch sprachlos machten. Wohl der, die noch Gefühle hat, die sie überwältigen, kann man da nur sagen. In solchen Situationen sollte man seinem Gegenüber ruhig in die Augen schauen und mit fester Stimme "Ich bin sprachlos" sagen.

Es gibt jedoch Momente, in denen man im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos ist. Zum Beispiel, wenn die Dentalhygienikerin, die jetzt Prophylaxeassistentin heisst, die Behandlung mit einer Viertelstunde Verspätung beginnt, erstmal Smalltalk macht und einem dann nach 35 Minuten minutiöser Polierarbeit eröffnet, dass sie für die obere Zahnreihe heute keine Zeit mehr haben werde und man sich noch mal einen Termin geben lassen möge. Das alles natürlich mit Schläuchen und Tupfern im Mund, die jeden wohl artikulierten Widerspruch verhindern. Diese besonders frustrierende Sprachlosigkeit endet erst, wenn man in einer Spülpause die Gelegenheit hat, untertänigst um eine sofortige Gleichbehandlung der oberen Zahnreihe zu flehen.


Fazit

"Ich bin sprachlos" ist ein sehr universeller Ausdruck, der den Vorteil hat, dass er dem Sprecher/der Sprecherin Zeit zum Nachdenken gibt und ihn/sie davor schützt, in einem emotionalen Moment das Innerste nach aussen kehren zu müssen. Allerdings zeigen die Interviews an den Olympischen Spielen, dass die Reporter sich mit diesen Aussagen kaum zufrieden geben und verzweifelt versuchen, doch noch ein Wort aus dem Sportler herauszukitzeln. Die banalen Worte, die dann folgen („Jo, ich bin eifach so schnäll gfare, wieni ha chöne!“), könnte man sich eigentlich sparen – und sich mit der Sprachlosigkeit für einmal zufrieden geben. Die so gewonnenen stillen Sendesekunden könnte man kreativ nutzen, zum Beispiel, indem man einfach die betreffenden Sportler/innen mit ihren überbordenden Emotionen in den Vordergrund stellt und die Bilder sprechen lässt. So kann man ganz der kontemplativen Wirkung der nonverbalen Botschaften vertrauen und das Publikum still daran teilhaben lassen. Als Zuschauer/in kann man dies einfach einmal ausprobieren und den Ton ausschalten.




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