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    Valentinstag: Blumen, wie immer?
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Wenn der Januar uns wie dieses Jahr fest in seiner kalten Umklammerung hält, haben wir nicht nur das Bedürfnis, uns in der Wärme zusammenzukuscheln, am Kaminfeuer bei einem Glas gutem Wein die Nähe zu unseren Lieben zu spüren und damit der abweisenden Natur die kalte Schulter zu zeigen. Wir wollen auch den Frühling spüren. Genau diese Frühlingsgefühle verbinden wir mit dem Valentinstag am 14. Februar.

Es gibt wohl keinen traditionellen Brauch, über den mehr geschrieben wird als den Valentinstag. Jedes Jahr sind die Medien voll von gescheiten Artikeln, die sich mit der Geschichte und der Bedeutung des 14. Februars befassen. Und jeder Artikel scheint wieder einen neuen zu provozieren, der noch einen Aspekt zum Vorschein bringt, der in allen bisherigen Abhandlungen vergessen worden ist.

Da ist die Rede von Fruchtbarkeitsfesten bei den Römern, von Chaucers „Parlament der Vögel“, bis hin zur kommerzialisierten Form in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Was wir heute feiern und wie wir es tun, hat – wie so vieles in unserer westlichen Kultur - den Ursprung in den USA. Von dort stammen die oft vorgefertigten Valentinskarten, komplett mit Bild und Liebesgedicht. Dort hat sich in den siebziger und achtziger Jahren auch die Diamantindustrie des Tages bemächtigt und darum sieht man dort an diesem Tag so manche junge Frau mit diamantgleich strahlendem Lächeln und ausgestreckter Hand, an deren Ringfinger etwas funkelt und das heisst: „I’m engaged!“ Und wehe, der Boyfriend kauft ihn ihr nicht, den Verlobungsring. Das stellt die Beziehung echt in Frage. Wenn die Kommerzialisierung solchen Einfluss auf die persönlichste aller Beziehungen ausübt, ist es Zeit, die Sache neu zu überdenken. Mal abgesehen vom Terror der Blumenindustrie ...

Es geht hier nicht darum, zu moralisieren – im Gegenteil. Nur ein Gedankenanstoss sei erlaubt. Warum besinnen wir uns nicht auf den wirklich romantischen Gehalt dieser an sich schönen Tradition? Bei den römischen Lupercalia war es der Brauch, dass die jungen Leute ihre Namen auf ein Täfelchen schrieben, dieses in ein Gefäss gaben und dann gespannt darauf warteten, wer ihren Namen zog. Die zwei auf diese Weise durch den Zufall Zusammengeführten sollten dann ein Jahr zusammenbleiben. Ein schöner Brauch wurde in England praktiziert: auf einem nicht signierten Kärtchen wurden Liebeserklärungen und Gedichte unter der Tür der heimlich Angebeteten durchgeschoben.

Das Besondere an letzterem Brauch ist, dass für einmal im Jahr auch die Scheuen, die heimlichen Schwärmer ihren Liebesgefühlen freien Lauf lassen können, ohne die Angst, abgewiesen zu werden. Zumindest nicht von Angesicht zu Angesicht. Und ist das nicht eine der Urängste von uns allen: Unsere Gefühle offen zu legen, uns der Ablehnung, ja der Verhöhnung auszusetzen im Moment der höchsten Empfindungen? Der Valentinsbrauch, der es erlaubt, die heimlichen Wünsche ohne das sonst übliche Risiko zu offenbaren, hätte eine Renaissance wirklich verdient. Einmal im Jahr mit gutem Gewissen ein anonymes Schreiben zu verfassen und abzusenden – mit der besten Absicht, die man sich vorstellen kann – wäre das nicht eine wirkliche Bereicherung unseres Gefühlslebens, ja unseres Zusammenlebens überhaupt? Fern von Kommerz, fern von Imponiergehabe, wie das beim Flirten üblich ist, einfach seiner Empfindung Raum zu geben, ohne Kalkül, nur mit der Hoffnung auf Erwiderung?

Das würde allerdings bedingen, dass wir uns dem medialen Overkill entziehen und uns auf handschriftlich gefertigte Kärtchen oder Briefe beschränken. Unsere Handschrift könnte zwar die Anonymität etwas beeinträchtigen, aber elektronische Mitteilungen sind jeweils an einen identifizierbaren Absender gebunden und somit kaum anonym. Handschriften bleiben in Zeiten der elektronischen Kommunikation die Ausnahme und werden vielleicht nicht mit Sicherheit erkannt. Zudem sind sie so persönlich, wie es sich für romantische Botschaften gehört. Wenn wir uns dann sogar auf den Weg zur Haustür der Herzensdame oder des Herzbuben machen und unsere Liebeserklärung nächtens reinschieben, wird die Sache erst recht spannend und kann sogar zum aufregenden Event werden.

Man kann nun einwenden, dass der Austausch von Valentinsgeschenken heutzutage vor allem zwischen Liebenden geschieht, die sich schon Jahre kennen. Doch da gilt dasselbe: Entziehen wir uns dem totalen Kommerz und finden wir zurück zu wahrer Romantik. Warum nicht unsere handschriftliche Valentinsbotschaft trotzdem unter Haustür durchschieben? Wenn der Moment gut gewählt ist, kann das witzig sein. Und mit einem herzhaften Kuss belohnt werden. Wetten wir, dass der länger hält als ein teurer Blumenstrauss? Wie wär’s also dieses Jahr mal mit einem fantasievoll unverblümten Valentinsgruss?




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