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September 09 - Es tönte schon ziemlich wüst, was sich die Schweiz vonseiten des Gaddafi-Clans anhören musste. Doch nicht nur auf dem diplomatischen Parkett stellt sich zuweilen die Frage, wie man mit Provokationen und Angriffen umgeht. Retourkutsche, kuschen oder Contenance wahren?

Gegen die Anfeindungen von Herrn Gaddafi senior und junior, die die Schweiz am liebsten ganz auslöschen würden, sind die Indianer-Sprüche von Herrn Steinbrück echte Peanuts. Trotzdem lösen Gaddafis Rundumschläge im Gegensatz zu letzteren hier keine grosse mediale Entrüstungswelle aus. Das ist vielleicht auch Ausdruck einer gesunden pragmatischen Haltung: Botschaften, die völlig jenseits von Logik und Verstand liegen, kann man schlichtweg überhören und ihnen damit die Aufmerksamkeit und Bedeutung entziehen. So vermeidet man, sich auf das Niveau des anderen zu begeben. Das heisst natürlich nicht, dass man immer kuschen und seine Klappe halten sollte. Doch gilt es abzuwägen, wann die Sache einen Einsatz wert ist und wann nicht. Auch im Alltag.

Neulich erzählte mir eine Klientin (nennen wir sie Sandra), dass sie sich im Büro den permanenten Sticheleien einer Kollegin (nennen wir sie Clara) ausgesetzt fühlt und nicht weiss, wie sie darauf reagieren soll. Clara spricht ständig darüber, wie toll sie ihre Arbeit macht und gibt Sandra ungefragt Ratschläge. Immer wenn Sandra etwas sagt, vertritt ihre Kollegin Clara eine entgegengesetzte Position - auch bei scheinbar unverfänglichen Smalltalk-Themen wie Mode. Wenn Sandra ihre Vorliebe für einen bestimmten italienischen Designer äussert - und gerade eine Jeans ebendieses Designers trägt - tut ihre Kollegin Clara diesen als spiessig und "Gouvernanten-Stil" ab. Sandra würde dann am liebsten etwas zum 0815-Stil ihrer Kollegin erwidern und sie dezent darauf hinweisen, dass Röhrenjeans bei eher kleinen Frauen mit O-Beinen keine optimale Wahl sind, verkneift sich das jedoch.

In der Tat ist es müssig, über Geschmack zu streiten, denn jeder Mensch hat eine eigene Auffassung von Ästhetik. Und es bringt nichts, Claras Aussagen auf dem Beziehungsohr ("Du bist spiessig") zu hören und entsprechend zickig zu reagieren. Das wäre sozusagen eine Annahme der Kriegserklärung, respektive in diesem Fall der Beginn eines Zickenkrieges. Ich habe Sandra geraten, die Beziehungsbotschaften in Claras Aussagen konsequent zu überhören, ruhig und gelassen zu bleiben und sich innerlich zu sagen: "Sandra hat eine sehr eigene Auffassung von Ästhetik und möchte dafür Bestätigung. Das ist ihr Problem, nicht meines." Vermutlich lag Claras "Stutenbissigkeit" auch darin begründet, dass sie sich aus irgendeinem Grunde Sandra gegenüber unterlegen fühlte und deshalb meinte, sich ständig beweisen zu müssen. Darum sind auch Bestätigungen sinnvoll, die ihr Anerkennung geben, wie: "Ich glaube gern, dass du einen tollen Job machst".

Beim nächsten Treffen berichtete Sandra, dass Clara nun mit den Sticheleien aufgehört habe. Es sei zwar sehr anstrengend gewesen, auf dem Beziehungsohr bewusst taub zu reagieren und Claras Sticheleien mit stoischer Gelassenheit zu quittieren. Ab und zu habe sie auch die Flucht nach vorn ergriffen, z.B. bei Bemerkungen wie: "Mensch, du hast dir ja schon wieder eine neue Bluse geleistet" habe sie geantwortet: "Ja, ich bin halt ein Fashion Victim und leiste mir gern etwas." Zudem habe sie aber Clara auch viel Anerkennung geschenkt und gelobt. Und nun sei Schluss mit dem verdeckten Hickhack und den Sticheleien.

Fazit: Es ist meistens nützlich, wenn man gut zuhören kann und eine komplexe Wahrnehmung hat. Manchmal kann es jedoch auch hinderlich sein. Souverän ist man, wenn man auch Dinge an sich abprallen lassen kann. In Anlehnung an den guten alten Goethe:
Die Botschaft hör ich wohl - allein ich spiel die Taube ... (oder den Tauben)
Und wenn jemand einen Zickenkrieg mit Ihnen beginnen will, sagen Sie sich: "Stell dir vor es ist Krieg - und ich gehe nicht hin."





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