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    Im Hotel: Von Eiern und Köpfen
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August 09 - Im August ist man vielleicht nicht mehr in den Ferien, hängt aber noch den hoffentlich schönen Erinnerungen nach. Und der Erfahrung, statt daheim in der privaten Idylle, immer in grösserer Gesellschaft seine Mahlzeiten eingenommen zu haben. Und da möchte man doch wie aus dem Ei gepellt sein, oder?

Beim Frühstück fängt es an - und der damit verbundenen Frage, ob man sein Frühstücksei brutal mit dem Messer enthauptet oder sanft mit dem Eierlöffel dem Eierkopf die Schale weichklopft, sie sodann entfernt und nun das Ei löffelweise geniessen kann. Ich bevorzuge letztere Variante. Die nächste Station: Brot. Meistens kann man sein Brot selbst schneiden und dazu liegt immer ein Tuch bereit, das man auf das Brot legt, wenn man sich eine Scheibe abschneidet. Viele Zeitgenossen fühlen sich aber in Hotels so dermassen zuhause, dass sie keinen Unterschied machen und ungeniert alles in die Hand nehmen, was sich da vor ihnen auf dem Buffet offenbart. Auf der anderen Seite fragt man sich aber, warum immer die Anschnitte auf dem Brotbrett liegen bleiben. Das macht sicher zuhause keiner, oder? Ausserdem ist doch der knusprige Anschnitt das Beste! Und noch etwas ist anders als Zuhause: Das, was man sich bei seinem Streifzug am Buffet auf den Teller gepackt oder ins Brotkörbchen gelegt hat, das kann man entweder essen oder es landet im Müll. Deshalb wäre eine realistische Einschätzung des Essvermögens im Voraus nützlich.

Apropos Essvermögen: Beim frühmorgendlichen Bad im Hotelpool kam ich mit einer netten Dame ins Gespräch. Ob ich auch bei der Veranstaltung gestern Abend gewesen sei, wollte sie wissen, um dann gleich hinzufügen, sie hätten es nicht geschafft, weil man hier ja immer diese sechs Gänge essen müsse. Meine Erwiderung, dass einen ja keiner zwinge und man auch nur vier Gänge essen könnte, kommentierte sie mit der ungläubigen Frage, ob sich das denn für mich lohne mit der Halbpension, wenn ich nur die Hälfte esse. Also, ich finde, es lohnt sich, nur so viel zu essen, wie dem Körper guttut. Und für die nette Dame hätte es sich durchaus gelohnt, zwei Gänge weniger zu essen.

Apropos Mehrgangmenü: Dies setzt ja ein entsprechendes Gedeck mit den passenden Besteckteilen voraus. Es ist interessant mitzuverfolgen, wenn am Nachbartisch ein gestandener Mann die Servicemitarbeiterin artig fragt, ob er das Besteck für die Vorspeise für das Salatbuffet behalten soll. Sehr souverän die Antwort: "Selbstverständlich bringen wir Ihnen für den nächsten Gang ein neues Besteck". Sie hätte ja auch sagen können: "Einmal benutztes Besteck wird niemals wieder auf die Tischdecke gelegt und für den nächsten Gang benutzt." Auch ökologisch engagierte Menschen sollten deshalb lieber darauf verzichten, aus Rücksicht auf die Umwelt das Besteck für mehrere Gänge einzusetzen und ihren Suppenlöffel zum Aufnehmen des Salatdressings zu benutzen, ihn nach vollbrachter Tat abzulecken und wieder auf das Tischtuch zu legen. Ansonsten gilt beim Besteck nach wie vor die gute alte Regel von aussen nach innen - und pro Gang ein Besteck.

Apropos Servicemitarbeiterin: Es gibt doch tatsächlich noch Leute, die "Frölein!" rufen, wenn sie sich an die Servicefachkraft wenden. Das geht nun wirklich gar nicht mehr. Die Damen und Herren haben heutzutage alle Namensschilder, also bitte sprechen Sie sie doch mit dem Namen an. Das ist sowieso persönlicher.

Apropos Persönlichkeit: Nach dem Genuss des Frühstücks mag das Make-up Defizite aufweisen und der Lippenstift gelitten haben, so man ihn denn überhaupt meint zu so früher Morgenstunde auftragen zu müssen. Dann aber mitten im Restaurant das Schminktäschchen zu zücken und die Lippen anzumalen, wirkt ziemlich deplatziert. Zudem: Wenn man einen sehr blassen Teint hat, sehr schmallippig ist, sehr dunkel gefärbte Haare hat und jenseits der 50 ist, wirkt ein knallroter Lippenstift wenig vorteilhaft und lässt einen eher wie eine Mischung aus Michael Jackson (ante mortem) und Cruella de Ville (die aus 101 Dalmatiner) aussehen.

Fazit: Es ist schön, wenn man ein Hotel gefunden hat, in dem man sich wie zuhause fühlt. Und zum Glück gibt es ja solche Orte in der Schweiz. Wenn man jedoch kein Eierkopf sein will, sollte man sich trotzdem in der Öffentlichkeit nicht unbedingt benehmen wie zuhause.



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