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März 09 - "Wir begrüssen die Wahl von Herr Grübel", sagte unlängst eine Nationalrätin in einem Statement gegenüber dem Schweizer Fernsehen. Es mag sein, dass die meisten diesen grammatikalischen Fauxpas genauso wenig bemerken wie eine zu kurz gebundene Krawatte. Aber kann man diesem Trend zur Missachtung der korrekten Form tatenlos zusehen?

Form und Inhalt sollen sich ergänzen

Dass der Dativ dem Genitiv sein Tod ist, wissen wir dank Bastian Sicks erheiternder Lektüre. Doch auch dem guten alten Akkusativ geht es an den Kragen. Überall hört man Sätze wie "Ich habe gerade mit Herr Meier gesprochen" oder liest in der Zeitung Texte über den "Schönheitschirurg" XY. Wer überzeugend und souverän wirken will, der sollte sich nicht nur Gedanken über die Wahl seines Outfits machen, sondern auch in seiner Sprache Glaubwürdigkeit und Kultiviertheit ausstrahlen. Oder können Sie jemanden ernst nehmen, der Ihnen die Standards eines gelungenen Businessauftritts näher bringen will, aber selbst von "Standarts" schreibt oder Ihnen "emphatisches Verhalten als Führungskraft" vermitteln will?

Genauso wie die Körpersprache einiges über die Glaubwürdigkeit einer Person vermittelt, transportiert die Sprache wichtige Informationen über eine Person. Das, was jemand sagt - und wie er es sagt -, führt dazu, dass wir uns ein Bild von ihm machen. Natürlich, wenn man es so geschickt anlegt wie Verena Pooth Ex-Feldbusch, dann kann man sogar aus seinen sprachlichen Defiziten eine Goldgrube machen und sich ein entsprechendes Image aufbauen, das diese Unvollkommenheit zelebriert ("Hier werden Sie geholfen"). Eine ähnliche Positionierung ist Ex-Miss Christa Rigozzi in der Werbekampagne von Maestro Lorenzo gelungen: "Ich liebe seine starke Körper." Wenn eine Tessinerin so etwas sagt, mag man das sehr charmant finden. Von seriösen Medienschaffenden, denen man eine Versiertheit im Umgang mit der deutschen Sprache unterstellt, möchte man jedoch solche Unzulänglichkeiten nicht lesen oder hören. In einem Interview in der Regionalzeitung stand unlängst: "Herr Blocher, Sie gehen ja nächste Woche mit Herr Spuhler zum Essen." Ein anderes Mal wurde ein Buch von Rösli Zuppiger vorgestellt, "Mutter und Ehefrau des SVP-Nationalrats Bruno Zuppiger". Das klingt nach einer inzestuösen Beziehung, die hier aber wohl kaum vorliegt.

Vielleicht ist die Unsitte, dem Herrn das N zu rauben, jedoch lediglich aufgrund eines Missverständnisses zustande gekommen? Bei der Adresse im Brief schreibt man in der Tat inzwischen "Herr" statt "Herrn". Aber daraus abzuleiten, dass "Herrn" generell altmodisch ist, wäre definitiv der falsche Schluss. Für einmal sind Frauen hier im Vorteil, denn grammatikalisch spielt es keine Rolle, ob ich mit Frau X zum Essen gehe oder ihre Wahl begrüsse. Da kann man keine Endung weglassen. Und doch sei in diesem Zusammenhang und eingedenk der Tatsache, dass am 8. März der internationale Frauentag ist, daran erinnert, dass es inzwischen selbstverständlich sein sollte, Frauen und Männer sprachlich gleich zu berücksichtigen. Sprache spiegelt die Wirklichkeit. Sprache erzeugt aber auch Wirklichkeit. Wenn ich immer nur von Managern und Politikern rede, dann erscheinen zweifellos Männer vor meinem inneren Auge - und keine Managerinnen und Politikerinnen. Also: Die Floskel "Frauen sind mitgemeint" ist out.

Fazit:
Ob die Wahl von Herrn Grübel schlussendlich zu begrüssen ist, wird sich zeigen. Führungsstark ist er sicher, aber mit der schnarrenden Stimme und dem stechenden, kalten Blick nicht unbedingt ein Sympathieträger. Ein bisschen menschliche Wärme käme seiner Ausstrahlung zugute. Und vielleicht sollte er sich noch einen Hauch weiblicher Intuition gönnen. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen an der Börse erfolgreicher sind als Männer. Sie erzielen bessere Renditen, weil sie umsichtiger bei der Streuung ihrer Depots vorgehen. Also eigentlich schade, dass keine Frau Grübel bereitstand.




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